Noch bis vor mehr als 150 Jahren war die Wissenschaft der Mineralogie, Geologie und Paläontologie eine von Männern dominierte Wissenschaft. Frauen durften nicht studieren oder sich in die Forschung einbringen. Mit Constance Frederica Gordon-Cumming wurde 1837 eine Frau geboren, die in der ganzen Welt unterwegs war, um Menschen und Gebräuche kennenzulernen, Tiere, Pflanzen und Landschaften zu entdecken, zu beschreiben und als Aquarell festzuhalten.
Constance Frederica Gordon-Cumming wurde am 26. Mai 1837 in Altyre bei Forres in Schottland geboren. Wie damals üblich, verließ sie mit 16 Jahren die Schule. Bis sie auf Reisen ging, sollten jedoch einige Jahre vergehen.
Wie viele Mädchen und junge Frauen aus gut situierten Verhältnissen beschäftigte sich Constance Gordon-Cumming zum Zeitvertreib mit schönen Dingen, darunter auch mit dem Zeichnen. Die Techniken der Aquarellmalerei erlernte sie von ihrer Mutter Eliza Maria Campell, eignete sich die Kenntnisse aber auch autodidaktisch an.
Ihre Expeditionen führten Constance Gordon-Cumming weit in die Welt hinaus. Für viele führende Mineralogen und Geologen war es im mittleren bis späten 19. Jahrhundert nicht möglich, so lange auf Exkursion zu sein und mussten stattdessen auf Schilderungen in Büchern zurückgreifen. Sie aber hatte den Vorteil, bekannte Reiseziele der Neuen Welt, exotische Länder und Edelsteinvorkommen vor Ort zu sehen. Allen Kritikern zum Trotz, dass es sich für eine ledige Frau nicht ziemt, alleine durch die Welt zu segeln, folgte Gordon-Cumming ihrer Leidenschaft und trat die Reisen in Begleitung von Missionaren an.
Das Ziel ihrer ersten Reisebeschreibung war Loch Ness in Schottland im Jahr 1866. Zwei Jahre später betrat sie den Boden der Westlichen Inseln, die zu Papua-Neuguinea gehören. In den folgenden Jahren besuchte sich unzählige Länder, wobei der Fokus auf der Heimat Schottland, Südostasien, Australien und Neuseeland sowie den USA lag.
So machte sie an religiösen Stätten wie dem Himmelstempel und Yonghe-Tempel/Lama-Tempel in Peking Halt, vertiefte sich in die Entstehung und Geschichte ihrer Reiseziele, erfuhrt viel über die Mythologie und Traditionen anderer Kulturen, wurde zu Audienzen des Königs von Hawaii, König Kalakaua, und seiner Tochter Likelike eingeladen und lernte die Flora und Fauna anderer Länder kennen. In China erhielt sie außerdem Einblick in traditionelle Heilverfahren und dass zur Herstellung von Arznei neben Krötenfingern und Wolfsaugen auch die Krallen von Geiern und menschliche Haut sowie Fett eingesetzt wurden.
All ihre Erinnerungen hielt Constance Gordon-Cumming in mehreren Büchern fest. Mit ihren detailverliebten Skizzen und Aquarellen sowie ausführlichen Berichten wurde sie noch zu Lebzeiten als Reiseschriftstellerin über die Grenzen des britischen Königreiches bekannt - alles mit der Intention, auch diejenigen an ihren Eindrücken teilhaben lassen zu können, die niemals jene Gefilde bereisen konnten.
Als sie 1880 von ihrer letzten Reise heimkehrte, hatte sie über die Jahre mehr als 1000 Bilder zusammengetragen. Tag für Tag fertigte sie neue Skizzen und Zeichnungen an, die sie später vollende; darunter der Fujiyama, Vulkane auf Hawaii, Granitberge in Yosemite und die unterschiedlichsten Landschaften.
Am 4. September 1924 verstarb Constance Gordon-Cumming.
Die für die Mineralogie bedeutendste und interessanteste Reise führte sie nach Ceylon bzw. Sri Lanka heute. 1872 folgte Constance Gordon-Cumming der Einladung des Bischofs von Colombo auf die Insel der Edelsteine.
Zwei Jahre hielt sie sich auf Ceylon auf und sah, unter welchen Verhältnissen die Edelsteine abgebaut wurden. Sogenannte „Moormen“ (Mahommedansi) besaßen die Gruben, wo sie mit Adleraugen die Arbeiter überwachten, dass kein einziger Edelstein unterschlagen wird. Sie schreibt, dass die Grubenbesitzer vor der Sonne geschützt mit großen Hüten und in luftiger, weißer Kleidung zusahen, wie ihre Arbeiter mit einfachsten Werkzeugen – Spaten, Brecheisen, Stangen und Bambuskörben – in der glühenden Hitze funkelnde Schätzt aus bis zu zwei Meter Tiefe ans Tageslicht beförderten.
Dass der Edelsteinabbau auf Ceylon im 19. Jahrhundert derart florierte, ist dem Umstand geschuldet, dass die Bauern das Potential erkannten, dass Bergbau einträglicher ist als die Bewirtschaftung von Feldern.
Das Interesse für Mineralien und auch ihr Wissen zum Thema ist Gordon-Cummings Mutter zu verdanken. Maria Eliza galt als sehr belesen, zählte Botanik, Gärtner und auch die Geologie zu ihren Hobbys, stand im Austausch mit Geologen wie Roderick Murchison und Hugh Miller, von denen sie über den aktuellsten Stand der Wissenschaft informiert wurde.
Ceylon war schon damals der Ruf eines edelsteinreichen Landes vorausgeeilt. Kein Wunder, dass Constance Gordon-Cumming am Berg Adam´s Peak im District Ratnapura Halt machte, um die Ausgrabungen zu begleiten und Einblick in den Edelsteinhandel zu gewinnen, insofern Ratnapura das Herz für den Handel mit Edelsteinen in alle Welt war.
In ihren Tagebüchern über die Zeit in Ceylon schreibt sie, dass die Vielfalt an Edelsteinen an keinem anderen Ort der Erde so abwechslungsreich ist wie auf der an Indiens Südspitze vorgelagerten Insel und nennt im Besonderen Diamanten, Smaragd, Türkis, Rubin, Saphir, Topas, Amethyst, Granat, Alexandrit, Chalcedon, Chrysoberyll, Pleonast, Jacinth/Hyazinth, Karfunkelstein, Korund, Aquamarin/Beryll, Tigerauge, Mondstein und Turmalin.
Dank ihres fachlichen Hintergrundwissens konnte sie auch bei der Beschreibung der Lagerstätten profitieren. Sie wusste und sah, dass die Edelsteine von Ceylon größtenteils alluvialen Ursprungs waren, d.h., von Flüssen angeschwemmt, nachdem die Mineralien zuvor aus dem Muttergestein über die Verwitterung herausgelöst wurden, ehe sich diese in Seifen ablagerten. Zunächst sind die Edelsteine laut Gordon-Cumming unscheinbar und verkrustet, sodass es ein geschultes Auge braucht, um die wertvollen Schätzte zu erkennen („Nature keeps all these treasure enfolded in such ugly crusts“).
Unter allen Edelsteinen aus Ceylon nahmen Saphire schon in der Vergangenheit eine besondere Rolle ein. Kein anderes Saphir-Vorkommen konnte in puncto Farbintensität und Reinheit mit den Saphiren aus Ceylon konkurrieren.
Gordon-Cumming schrieb über die Farben des Saphirs: „lovely rich blue crystals from the deepest invisible blue, too dark, (…), palest azure resembling diamonds“ - sprich: Die Farben des Ceylonesischen Saphirs reichen vom intensiven Kornblumenblau bis hin zu tintenblauen, dunklen Steinen und hellblauen Saphiren, die an Diamanten erinnern.
Noch präziser als ihre eigenen Beschreibungen sind die Aufzeichnungen des Goldschmieds und Juweliers Edwin William Streeter (1834 bis 1923), den sie zitiert: „azure-blue, indigo, dark-red, violet-blue, poopy-red, cochineal, carmine, yellow-white, French-white, lemon-yellow and green“ - azurblau, indigoblau, dunkelrot, violettblau, Mohnrot, Cochenillerot, Karminrot, gelb-weiß, Französisch-weiß, zitronengelb und grün.
Vor allem die zuletzt genannten Farben werden üblicherweise nicht mit Saphiren in Verbindung gebracht. Der Name Saphir wird ursprünglich aus dem Griechischen mit blau übersetzt, sodass Saphir als der blaue Edelstein ohnehin gilt. Dass die Farbpalette von Saphiren allerdings weitaus bunter ist, beweist die Farbvielfalt von Fancy Saphiren: Saphire, die nicht blau sind und bis auf Rot in allen Farben vorkommen.
Rot ist innerhalb der Korundfamilie – Saphir, Leukosaphir und Rubin – Rubinen vorbehalten, wobei der Ceylon-Rubin überwiegend von rosa-stichigem Rot ist und deshalb im internationalen Vergleich im Preis hinter denen aus Burma liegt.
Tatsächlich wurde die Farbe schon zu Gordon-Cummings Zeiten nachträglich aufgewertet, indem die Rubine in Muschelkalkstein gebettet und dann auf Temperaturen von etwa 1.700 °C erhitzt wurden. Infolge der Hitzezufuhr kam es Änderungen der farbgebenden Verbindungen im Kristallgitter, sodass der einst rosafarbene Stein im idealen Rubinrot erstrahlte.
Nicht weniger begeistert war sie vom Spinell in Rosa- und Blautönen („lovely rose-coloured gem sparkling brigth blue spinells“) und Sternsaphir sowie Sternrubin; eine optische Besonderheit, die entsteht, wenn im Kristall eingelagerte hauchfeine Kristallnadeln des Minerals Rutil einander überkreuzen und so einen 4-, 6-, 12- oder 24-strahligen Stern erzeugen (siehe: Asterismus).
Als weitere Schätze der Insel zählt sie Olivin-grünes Katzenauge auf, dessen Farbe auf Einlagerungen von grünem Asbest zurückzuführen ist. Mondstein mit silbrigem Glanz, der in Hülle und Fülle vorkommt und deshalb zu niedrigen Preisen verkauft wird. Auch Alexandrit ist ein typisches Mineral der Insel, das im Tageslicht in einem bronzeartigem Grün („a rich bronzed green“) und bei Kerzenlicht in einem lebendigen Purpurrot erscheint („appears to be of vivid crimson“).
Turmalin wurde im 19. Jahrhundert ebenfalls viel auf Ceylon gefunden, fand allerdings wenig Beachtung, da Turmalin damals laut Gordon-Cumming nicht en vogue war.
Umso mehr wurde Topas geschätzt, der vielerorts gewöhnlicherweise von goldbrauner Farbe ist. Der Topas von Ceylon hingegen überrascht: Bernsteinfarben bis tiefbraun, rot, aquamarinblau und mehrfarbig. Steine, die gleichzeitig gelb und blau sind und die Gordon-Cumming Harlekin-Topas nennt.
Zirkon genießt ebenfalls hohe Beachtung und wird auf Ceylon als Amulett zum Schutz vor bösen Geistern getragen und verspricht obendrein einen gesegneten Schlaf (“worn as an amulet to guard its owner from evil spirits and to assure the blessy of sound sleep“).
Neben den hochkarätigen Schätzen war ein weiteres Mineral von hohem wirtschaftlichem Interesse: Graphit, damals auch Plumbago genannt. Graphit kam auf Ceylon reichlich vor, dass jährlich mehr als 12 Tonnen exportiert wurden, vorrangig nach Cumberland/England, um dort Bleistifte und Polierpasten herzustellen oder als Rohstoff für die aufkommende Photographie zu verwenden.
Ab 1890 wurde Ceylon für immer mehr Unternehmen aus Europa interessant. Dass vor allem die Briten ganz vorn dabei waren, begründet die Geschichte von Ceylon als britische Kolonie. In der Zeit davor unterlagen die Abbaurechte dem Monopol des Königreichs Kandy. Nachdem Großbritannien Kolonialmacht war, durfte jedermann nach Edelsteinen suchen, wobei vorab eine Lizenz beim jeweiligen Landeigner eingeholt werden musste. Der Abbau der Edelsteine wurde professionalisiert und effektiver; der neueste technische Fortschritt hielt Einzug in den Bergbau. Damit einhergehend konnten die Gewinne und Abbaumengen gesteigert werden. Nicht selten wurden Gordon-Cumming zufolge Edelsteine im Wert von bis zu 5000 Pfund (entspricht heute circa 1 Mio. Euro) in einer Woche gefunden.
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Quellen: