Vertiefungen im Gelände zählen größtenteils zum natürlichen Formenschatz: Täler, karstbedingte Dolinen oder Senken. Dazu gesellen sich mehr oder weniger umfangreiche, durch Aktivitäten des Bergbaus bedingte Einschnitte, die unter dem Begriff Bergschaden zusammengefasst werden. In diese Kategorie fallen Pingen.
Eine der ältesten Beschreibungen des Begriffs Pinge stammt aus dem Jahr 1788. Der Schriftsteller Friedrich Gottlob Leonhardi (1757 bis 1814) definierte Pinge seinerzeit als „eine Einsinkung des Gebirges oder ein von der Oberfläche (…) niedergegangener Tagebruch“.
Ähnlich wird Pinge im Grimm´schen Wörterbuch von 1889 erklärt, wonach eine Pinge „eine durch Zusammenstürzen eines Schachtes auf der Erdoberfläche entstandene kesselförmige Vertiefung ist“ - eine Umschreibung, die sich an den Worten von Johann Samuel Krünitz (1728 bis 1796; Lexikograph) orientiert: „Pingen nennt man im Bergbau Vertiefungen in Gestalt eines Kessels, besonders so fern sie von eingefallenen Berggebäuden herrühren“.
Kurzum: Pingen sind Einsenkungen im Gelände als Folge der Instabilität von Gesteinsdecken, der wiederum die Aushöhlung von anstehendem Gestein zum Zweck der Gewinnung von Bodenschätzen vorausgegangen ist. Daher auch das mittelhochdeutsche Wort Pinge, das mit graben vertiefen übersetzt wird.
Die Form von Pingen ist in der Aufsicht sehr variabel und folgt oftmals dem untertage angelegten Bergwerk; genau wie die Tiefe der Pinge von der Größe des Bergwerks/Schachts geprägt ist und wie sehr das Deckengestein in puncto Stabilität mit den menschengemachten Hohlraum mithalten kann.
Pingen können deshalb kreisrund oder elliptisch geformt sein, ebenso können die Einstürze trichterförmig, kraterähnlich oder länglich wie ein Graben oder kesselartig, sog. „Bergkessel“ (Jacobsson et al. 1793) sein, wobei es auch möglich, ist dass mehrere Pingen hintereinander vorkommen, die einen Pingenzug bilden.
Vor allen bei älteren Pingen ist die Bestimmung der Pinge als solche ohne Kenntnisse der Geschichte der Region teilweise schwierig. Viele Pingen sind bereits vor Jahrhunderten eingestürzt und mittlerweile üppig mit Vegetation bewachsen. Hinzu kommt, dass die Verwitterung den Gesteinen zugesetzt hat und frische Bruchkanten nicht erkennbar sind. Aufmerksame Betrachter:innen können wie Reyer 1879 schrieb, allerdings in "verschiedener Höhe das Gewände zerfressen von ausgebrannten Löchern, Höhlen und Fenstern" sehen.
Pingen sind das Ergebnis der Instabilität alter, maroder Bergwerke oder Schächte.
Konstruktionen, bei denen die Statik nachgelassen hat und den Einsturz des künstlichen Hohlraums zu Folge hatten.
Leonardi formulierte es 1788 treffend: die „Entstehung rührt von dem unvorsichtigen Baue oder Aushauens des Zinnerzes her, wo man ohne Rücksicht auf das über sich habende Gebirge große Weitungen anlegte und wenig Berg stehen ließ“.
Während Krünitz 1791 noch von alten „Berggebäuden“ sprach, die zur Pinge werden, können auch heute noch aktive Bergwerke, Minen und Schächte ebenfalls einstürzen und eine Pinge bilden.
Die Hauptursache, die zur Bildung einer Pinge führt, ist eine zu geringe Mächtigkeit der Decke des Bergwerks, d.h., die Mächtigkeit der Decke, die über dem geschaffenen Hohlraum liegt, ist mit 50 cm bis zu einem Meter abhängig vom Gestein zu gering.
Die geringe Teufe der Bergwerke wurde in der Vergangenheit in vielen Fällen vor allem ein niedriger Grundwasserspiegel zum Verhängnis. Nachfließendes Wasser, das nicht abgepumpt oder auf anderem Weg aus dem Bergwerk ferngehalten wurde, führte dazu, dass sich die Sohle der Grube mit Wasser vollsaugen konnte, was zur Instabilität und zum Einsturz führte. Schwierig sind dabei auch Bergwerke, die auf Holz als Stützmaterial setzte, das im Zusammenspiel mit Wasser mit den Jahren morsch wurde und keinen Halt mehr gab.
Daneben ist die Gewinnung von Bodenschätzen immer mit Zugspannungen verbunden. Das Arbeiten mit Gerätschaften und Maschinen kann durch Druck- und Stoßwellen Unstetigkeiten im Gestein bedingen, sodass das Konstrukt bei mangelhafter Statik in sich zusammenfällt.
Pingen sind entstehungsbedingt insbesondere in Regionen bzw. Revieren anzutreffen, deren Geschichte bzw. Wirtschaft eng mit dem Bergbau und Abbau von Erz und anderen mineralischen Rohstoffen verknüpft ist, z.B. Roter Berg bei Kamsdorf/Thüringen, Pinge Bückenberg und Pinge Weißer Stahlberg bei Elbingerode/Harz. Zwei der bekanntesten Pingen Deutschlands befinden sich in Sachsen.
Die Altenberger Pinge, in der Zinnerz abgebaut wurde, entstand bereits 1545. In den darauffolgenden Jahren kam es wiederholt zu Einstürzen, sodass nach dem großen Einsturz vom 24. Januar 1620 aus der Pinge mit einer Fläche von zwei Hektar heute eine Fläche von zwölf Hektar bei einem Durchmesser von 450 Metern und einer Tiefe von 150 Metern entstanden ist.
Ähnlich verlief das Schicksal der Pinge von Geyer/Sachsen, die durch die bergmännische Praxis des Feuersetzens verursacht wurde. Dabei werden bewusst Feuer im Bergwerk mit dem Ziel gelegt, dass die Spannungsunterschiede – ausgelöst durch das Erhitzen und die Abkühlung des Gesteins – das Gestein leichter zerkleinert werden kann und die Kumpel einfacher weiter in den Berg vordringen konnten. 1704 wurde der erste Einsturz registriert, dem weitere folgten, sodass die Geyersche Pinge heute ein Ausmaß von 200 mal 250 m bei einer Tiefe im Vergleich zum Umgebungsniveau von bis zu 60 m misst.
Auch interessant:
Quellen:
⇒ Leonhardi, F. G. (1788): Der Erzgebirgische Kreis. IN: Erdbeschreibung der Churfürstlich- und Herzoglich-Sächsischen Lande
⇒ Krünitz, J. G. (1791): Oeconomische Encyclopädie, oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- u. Landwirthschaft
⇒ Jacobsson, J. K. G., Hartwig, O. L., Rosenthal, G. E. und Beckmann, J. (1793): Bergkessel. IN: Johann Karl Gottfried Jacobssons technologisches Wörterbuch oder alphabetische Erklärung aller nützlichen mechanischen Künste, Manufakturen, Fabriken und Handwerker, wie auch aller dabey vorkommenden Arbeiten, Instrumente, Werkzeuge und Kunstwörter, nach ihrer Beschaffenheit und wahrem Gebrauche. Von A bis G
⇒ Reyer, E. (1879): Die Eruptiv-Gesteine von Altenberg und deren Erzführung. IN: Jahrbuch der Geologischen Reichsanstalt Band 29
⇒ Grimm, J. und Grimm, W. (1889): Pinge. IN: Deutsches Wörterbuch
⇒ Wagenbreth, O. und W. Steiner (2001): Geologische Streifzüge. Landschaft und Erdgeschichte zwischen Kap Arkona und Fichtelberg. Spektrum Akademischer Verlag
⇒ Okrusch, M. und S. Matthes (2009): Mineralogie: Eine Einführung in die spezielle Mineralogie, Petrologie und Lagerstättenkunde. Springer Verlag Berlin Heidelberg
⇒ www.geologie.sachsen.de - Altenberger Pinge
Letzte Aktualisierung: 10.12.2024