Der Wert von Schmuck- und Edelsteinen ist das Ergebnis aus dem Zusammenspiel bestimmter Kriterien, die über die Qualität der Farbe, Reinheit, den Glanz, das Gewicht, Seltenheit und den Schliff definiert werden. Beim Schleifen von Steinen ist ein nicht unbeachtlicher Materialverlust nicht unüblich, dem eine erhebliche Wertsteigerung des geschliffenen Steinen gegenüber steht. Vom Rohsteinen gehen oftmals bis zu 60 % des Ausgangsgewichts verloren. Der Anteil des Schliffs am Preis beträgt – abhängig von der Schleifqualität – bis zu 40 %. Die Auswahl der Schliffe ist groß und eine Einzelfallentscheidung, die sich nach der individuellen Beschaffenheit der Steine richtet. Lupenreine, besonders klare Steine werden häufig mit rechteckigen Schliffen versehen; ein Vertreter dieser ist der Baguetteschliff.
Schöne und wertvolle Steine werden bereits seit Jahrhunderten rechteckig geschliffen. Die historischen Vorgänger des heutigen Baguetteschliffs existierten schon im 17. Jahrhundert – allerdings weichen sowohl Form als auch Anzahl der Facetten vom heutzutage typischen Baguetteschliff ab.
Als Erfinder des modernen Baguetteschliffs gilt Cartier. Der aus Frankreich stammende Juwelier präsentierte im Jahr 1912 Diamanten im Baguetteschliff – passend zur angesagten Stilrichtung des Art déco.
Der Schmuck im Art déco-Stil war geprägt von geometrischen Elementen, sodass Steine im rechteckigen Baguetteschliff zum It-Piece der Saison wurden.
Der Baguetteschliff als Vertreter der rechteckigen Schliffe ist eine Variation des Treppenschliffs, der übergeordnet als Fancy Cut definiert wird. Der Begriff Fancy Cut stammt aus der Gemmologie und fasst alle anderen Schliffe zusammen, die kein Brillantschliff sind. An die zentrale, rechteckige Tafelfacette – die größte Facette bzw. Schleiffläche im Oberteil des Steins – schließen sich mehrere parallel gearbeitete, stufen- bzw. treppenartige Facetten an.
In der Aufsicht erscheint der Baguetteschliff rechteckig mit scharfen Kanten im perfekten rechten Winkel mit 90°. Bisweilen wird der Baguetteschliff mit dem ähnlich aussehenden Smaragdschliff aufgrund der Form verwechselt, bei dem die Kanten jedoch „abgeschnitten“ sind, sodass der Smaragdschliff acht Kanten zählt.
Seitlich betrachtet gleicht der Baguetteschliff einem langgestrecktem Sechseck. Der untere Teil ist im Vergleich zum oberen Teil kleiner und nimmt ca. zwei Drittel der längsten Ausdehnung des Steins im Mittelteil ein.
Anders als bei anderen Facettenschliffen ist die Anzahl der Facetten des Baguetteschliffs mit mindestens 14 Facetten gering und übersichtlich. Aus diesem Grund ist der Baguetteschliff nicht für alle Steine geeignet. Infolge der großen Facetten fallen kleinere Fehler im oder am Stein wie Einschlüsse von Gasen, Flüssigkeiten oder anderen Mineralien, Schrammen, Kratzer oder eine unsauber gearbeitete Politur leichter auf als bei facettenreichen Schliffen wie dem Brillantschliff oder Princess-Schliff.
Der Großteil der Steine, die im Baguetteschliff gehalten werden, sind von durchsichtiger Transparenz. Das auf die Schleifflächen treffende Licht betont die Reinheit sowie die Farbnuancen der Steine im Spiel mit dem Licht. Dennoch werden auch durchscheinende bis undurchsichtige Mineralien wie Larimar, Seraphinit oder Rubin-Zoisit im Baguetteschliff gehalten. In der Anfangszeit des Baguetteschliffs wurden vor allem lupenreine, weiße Diamanten (sog. Baguette shape diamonds) verarbeitet. Passend zum Art déco und der Vorliebe für auffällige, farbige Materialien ergänzten nach und nach Farbedelsteine wie Rubin, Saphir, Smaragd, Farbige Diamanten/Fancy Diamanten, Amethyst, Rauchquarz, Weißtopas, Blautopas, Citrin, Diaspor, Apatit, Kunzit und Morganit die Auswahl baguetteförmig geschliffener Steine.
Die ersten Baguette-Diamanten zierten als Begleitstein andere Edel- und Schmucksteine und wurden seitlich oder ringförmig um den Hauptstein arrangiert. Im frühen 20. Jahrhundert etablierte sich der Baguetteschliff aber auch als Solitär; auffällige, opulente Steine zierten die damals angesagten Cocktailringe.
Das Design des Baguetteschliffs ist nicht aus der Mode gekommen, gilt heute vielmehr als zeitlos und zurückhaltend und wird insbesondere zusammen mit mehreren Steinen als Bandring eingefasst oder nach wie vor als Begleitstein von anderen Steinen.
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Quellen:
⇒ Smith, George Frederick Herbert (1912): Gem-stones and Their Distinctive Characters. Methuen & Co. LTD. 36 Essex Street W.G. London
⇒ Schumann, W. (2017): Edelsteine und Schmucksteine: alle alle Arten und Varietäten; 1900 Einzelstücke. BLV Bestimmungsbuch, BLV Verlagsgesellschaft mbH München
⇒ Newman GG, Renée (2016): Gemstone Buying Guide. International Jewelry Publications,U.S.; Auflage: Revised
⇒ https://4cs.gia.edu - Hungry for a Baguette Diamond Engagement Ring?
Letzte Aktualisierung: 22. Februar 2024