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Hildegard von Bingen und die Heilsteine



Edelsteine als Arznei? Was für heutige Ohren ungewöhnlich klingt, war im Mittelalter ein verbreiteter Gedanke. Kaum jemand ist in diesem Zusammenhang so bekannt wie Hildegard von Bingen (1098–1179). Die Äbtissin, Mystikerin und Naturkundlerin beschrieb in ihren Werken nicht nur Heilpflanzen und Ernährung, sondern auch die Kraft von Edelsteinen, denen sie gesundheitliche und spirituelle Wirkungen zuschrieb.



Das Leben der Heiligen Hildegard von Bingen

Das genaue Geburtsdatum Hildegards von Bingen ist nicht überliefert. Sicher ist nur, dass sie 1098 in Bermersheim in Rheinland-Pfalz geboren wurde. Als Tochter einer wohlhabenden Familie wurde sie bereits im Alter von acht Jahren in das Kloster Disibodenberg gegeben. Dort nahm sie ihre ersten Visionen wahr, die später zu einem zentralen Merkmal ihres Lebens und Wirkens wurden.


Heilsteine Hildegard von Bingen
Bergkristall, Amethyst, Citrin, Karneol und Aventurin - Mineralien, auf die Hildegard von Bingen vertraute

Bereits wenige Jahre später, 1113, legt Hildegard ihr Gelübde ab und wird Ordensfrau des Heiligen Benedikt. 1139 wurde sie zur Äbtissin ernannt, und 1147 bestätigte Papst Eugen III. offiziell die Echtheit und Bedeutung ihrer Visionen.

Mit 52 Jahren verließ Hildegard das Kloster Disibodenberg, um auf dem Rupertsberg bei Bingen ihr eigenes Kloster zu gründen. 1165 folgte ein weiteres Kloster in Eibingen, das heute als Abtei St. Hildegard bekannt ist. Am 17. September 1179 starb Hildegard von Bingen im Kloster Rupertsberg im Alter von 81 Jahren.


Hildegard von Bingen und die Naturheilkunde

Hildegard von Bingen war weit mehr als eine Predigerin im Namen der Bibel. Schon zu Lebzeiten erlangte sie großes Ansehen als Verfasserin medizinischer Werke, die bis heute erhalten sind. Besonders bekannt sind ihre Schriften Causae et Curae und Physica, die einen einzigartigen Einblick in die Heilkunde des Mittelalters geben.


Causea et Curae

Causae et Curae („Ursache und Behandlung“) widmet sich umfassend der Entstehung und Heilung von Krankheiten. Als bibeltreue Christin sah Hildegard von Bingen unsittliches Verhalten als eine zentrale Ursache von Krankheit. Daneben betonte sie weitere Faktoren für die Gesundheit des Menschen: eine maßvolle Ernährung, religiöses Fasten und die Besinnung auf Gott sowie verschiedene Ausleitungsverfahren.

Alle diese Einflüsse stehen für Hildegard in enger Verbindung zueinander und halten ein empfindliches Gleichgewicht. Wird dieses Gleichgewicht gestört, so entstehen Krankheiten. Ihre Überlegungen lassen sich heute als frühe Ansätze einer ganzheitlichen Medizin verstehen – stets untrennbar verknüpft mit spirituell-religiösen Elementen.


Physica

Das Heilbuch Physica behandelt konkrete Methoden zur Vorbeugung und Behandlung zahlreicher Krankheiten. Es umfasst neun Einzelschriften, die sich jeweils mit einem Bereich der Natur befassen: Pflanzen, Elemente, Bäume, Edelsteine, Fische, Vögel, Tiere, Reptilien und Metalle.

Hildegard von Bingen beschreibt darin die Heilkraft, die ihrer Auffassung nach in den verschiedenen Naturreichen liegt, und gibt Rezepte zur Behandlung körperlicher wie auch seelischer Leiden. Zugleich zeigt sie sich bemerkenswert umsichtig: Nicht alle Naturstoffe eignen sich nach ihrer Lehre als Arznei, und ein falscher Umgang könne mehr Schaden anrichten als Heilung bringen.


Die heilenden Edelsteine der Hildegard von Bingen

Wie bereits erwähnt, widmet Hildegard von Bingen zwei Teile ihres Werkes Physica den Mineralen und Edelsteinen: das vierte Buch De Lapidibus („Über die Steine“) sowie das neunte Buch De Metallis („Über die Metalle“). Beide entstanden vermutlich zwischen 1150 und 1160.

In beiden Büchern werden bei Hildegard von Bingen folgende Minerale und Steine aufgeführt: Smaragd, Hyazinth, Onyx, Sardonyx, Saphir, Topas, Chrysolith, Jaspis, Prasem, Chalcedon, Chrysopras, Karfunkel/Rubin, Amethyst, Achat, Diamant, Magnetit, Ligurius, Kristall, Flußperlen, Perlen, Karneol, Alabaster, Kalk, Ziegelstein und die sogenannten übrigen Steine.
Im Buch über die Metalle finden zudem Gold, Kupfer, Silber, Stahl, Blei, Messing und Zinn Aufmerksamkeit.

Hildegard von Bingen stellt die Edelsteine in kurzen Steckbriefen vor, in denen sie deren Entstehung und medizinische Anwendung beschreibt – Erkenntnisse, die sie nach eigener Aussage in Visionen empfangen hat. Mit dem heutigen geologischen Wissen haben ihre Schilderungen allerdings wenig gemein. Nach Hildegards Vorstellung entstehen Edelsteine aus Feuer und/oder Wasser; sie spricht in diesem Zusammenhang vom „Wachsen“ der Steine. Dieses Wachstum vollzieht sich zu bestimmten Tageszeiten, sodass jeder Edelstein nach ihrer Lehre eine tageszeitspezifische Wärme in sich trägt; eine Eigenschaft, die in der Edelsteintherapie genutzt werden kann.

Zugleich nennt Hildegard von Bingen einen einfachen Grund, warum Edelsteine nach ihrer Auffassung heilkräftig sind. Sie zieht einen Vergleich zwischen dem Teufel und den Krankheiten: Da Edelsteine aus dem Feuer hervorgehen, erinnern sie den Teufel an das Fegefeuer. Deshalb verabscheut er die Steine und meidet den Kontakt mit ihnen.

Darüber hinaus hebt Hildegard von Bingen die positive Kraft der Edelsteine hervor. Sie betont ausdrücklich, dass diese nicht für die Werke des Teufels und der Unzucht missbraucht werden können: Weder Liebestränke noch Verwünschungen oder andere schädliche Handlungen lassen sich mit Edelsteinen herbeiführen.

Ein wesentlicher Inhalt von De Lapidibus ist die Darstellung unterschiedlicher Darreichungsformen, die auf das jeweilige Leiden zugeschnitten sind. Manche Krankheiten, so Hildegard, lassen sich durch das Auflegen von Edelsteinen behandeln oder indem man die Steine als Handschmeichler bzw. Kettenanhänger bei sich trägt. Andere Anwendungen erfordern, die Steine zu Pulver zu zermahlen und Speisen oder Getränken wie Suppen, Backmischungen oder Wein beizufügen. Wiederum andere Rezepte empfehlen, Edelsteine in Wein oder Bier aufzukochen – teils nachdem sie zuvor in der Sonne oder über dem Holz von Buche oder Linde erwärmt wurden.

Nach Hildegard von Bingen ist für nahezu jedes Leiden ein passender Edelstein „gewachsen“. So beschreibt sie Anwendungen bei Herz- und Kreislaufproblemen, Magenbeschwerden, Fieber, Schlafstörungen, Infekten und Wetterfühligkeit ebenso wie bei Konzentrationsschwäche, Beulen, Gicht, Kopfschmerzen, Arthritis, Arthrose oder sogar Vergiftungen.

Nicht alle Steine und Metalle betrachtet Hildegard von Bingen als heilsam. Manche, so betont sie ausdrücklich, besitzen keine heilende Wirkung. Andere wiederum sind sogar giftig für den menschlichen Organismus. Zu den Materialien, vor deren Verwendung sie warnt, zählen unter anderem Alabaster, Perlen und Flußperlen sowie Metalle wie Messing, Zinn und Blei.


Kritik an Hildegard von Bingens Edelsteintherapie

Wie zahlreiche Quellen belegen, handelt es sich bei den überlieferten Texten nicht um Originalschriften aus der Hand Hildegards von Bingen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Teile von De Lapidibus und De Metallis in späteren Abschriften verändert, ergänzt oder auch gekürzt wurden.

Ein Argument gegen die Authentizität dieser Schriften ist die medizinische Praxis zur Zeit ihrer Entstehung. Während Heilkräuter – insbesondere in der Klostermedizin – bereits lange vor Hildegards Lebzeiten fest verankert waren, spielten Edelsteine damals noch keine Rolle als Heilmittel. Der Brauch, Steine zu medizinischen Zwecken einzusetzen, verbreitete sich erst später aus dem Ausland in Mitteleuropa.

Hinzu kommt, dass Hildegard in Causae et Curae ausführlich auf die gesundheitsfördernde Wirkung von Kräutern eingeht, jedoch keinerlei Anwendungsempfehlungen zu Edelsteinen gibt; ein weiterer Hinweis darauf, dass die Zuschreibungen in Physica nicht unmittelbar auf sie selbst zurückgehen.

Auch wenn Hildegard von Bingen von der heilenden Wirkung von Edelsteinen überzeugt war, gelten diese nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) nicht als anerkannte Arzneimittel. Ihre gesundheitsbezogenen Aussagen beruhen auf Überlieferungen und Beobachtungen, nicht jedoch auf wissenschaftlich überprüfbaren Erkenntnissen. Bis heute konnten medizinische Studien keine statistisch gesicherten Belege für eine Wirksamkeit erbringen. Daher ist von einer Selbstbehandlung mit Edelsteinen – insbesondere auf Grundlage eigener Diagnosen – unbedingt abzuraten.

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Quellen:

  • Schiller, R. (1993): Altas der Edelsteine und Metalle. Von Wirkung und Nutzen der Edelsteine und Metalle für die Gesundheit nach der Hl. Hildegard von Bingen. Pattloch Verlag Augsburg
  • Kluge, H. (2008): Hildegard von Bingen. Edelsteintherapie. edel entertainment GmbH, Hamburg
  • www.heiligenlexikon.de (Biographie von Hildegard von Bingen)
  • www.abteil-st-hildegard.de (Werke und Wirken von Hildegard von Bingen)

Letzte Aktualisierung:02.09.2025



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