Berufe, in denen sich alle um Edelsteine dreht, gibt es viele. Angefangen von der Arbeit im Gelände und dem Finden neuer Edelsteinvorkommen oder die Einschätzung, wie lange die Ressourcen noch abbaubar sind, bis zur Bearbeitung der Steine, dem Einsetzen geschliffener Steine in Schmuck, dem Handel mit Edelsteinen, dem Verkauf im Juwelierfachgeschäft oder der Beratung von wertvollen Steinen als Investment. Ein Beruf, der ungemein zur Wertsteigerung von Edelsteinen beiträgt, ist der Edelsteinschleifer oder die Edelsteinschleiferin.
Ein Blick in historische Lehrbücher zum Thema Mineralogie zeigt, dass der Beruf des Edelsteinschleifenden keine Erwähnung fand. Vielmehr war die Rede von Bohrern und Balierer.
Der Begriff Bohrer ist selbsterklärend: eine Person, die Steine mit einem Loch versieht, die zu Ketten oder Ohrringen verarbeitet werden. Die Zunft der Balierer verstand sich auf das Polieren ungeschliffener Steine. Die Techniken und Werkzeuge, mit denen die kostbaren Steine in Form gebracht und auf Hochglanz poliert wurden, waren - verglichen mit dem heutigen Standard - simpel. Mit den Jahren und Jahrhunderten entwickelte sich das Handwerk der Bearbeitung von Edel- und Schmucksteinen immer weiter, sodass seit dem 18. Jahrhundert der Beruf des Edelsteinschleifers geboren war. Anfangs waren es vor allem Männer, die diese Tätigkeit ausübten, heute ist der Beruf für alle offen.
In der Vergangenheit war das Schleifen von Edelsteinen ein körperlich sehr anstrengender Beruf. Die Arbeitenden lagen oftmals bäuchlings vor den Schleifmaschinen, um die Steine zu facettieren oder zu glätten. Nacken- und Rückenschmerzen waren vorprogrammiert Heute werden die Steine zwar immer noch per Hand geschliffen, aber auch moderne IT-Lösungen finden Anwendung bei der Bearbeitung.
Den Abschluss Edelsteinschleifer/Edelsteinschleiferin erhält man nach 3 Jahren der Berufsausbildung. Das Wissen wird sowohl in der Theorie in der Berufsschule vermittelt und das Erlernte im Lehrbetrieb in die Praxis umgesetzt. Noch vor mehr als 200 Jahren dauerte die Ausbildung 4 bis 6 Jahre (siehe Krünitz, 1785).
Unternehmen, die sowohl Auszubildende als auch Berufserfahrene einstellen, gibt es nahezu überall auf der Welt, wobei Antwerpen/Belgien und Den Haag/Niederlande sowie verschiedene Städte in Kambodscha, Thailand und Indien zu den führenden Standorten der Kunst des Edelsteinschleifens zählen. Deutschland braucht sich trotzdem im internationalen Vergleich nicht zu verstecken: die Region Idar-Oberstein ist traditionell mit der Bearbeitung von Edelsteinen verbunden; entsprechend viele Ausbildungs- und Beschäftigungsbetriebe sind hier vor Ort angesiedelt. Ein Lichtblick, nachdem in den 1970er bis in die 1990er Jahre auf die Arbeiten von Edelsteinschleiferinnen und Edelsteinschleifern aus dem Ausland zurückgegriffen wurde.
Im Rahmen der Berufsausbildung gewinnen die Auszubildenden einen Einblick in den späteren Alltag einer Edelsteinschleiferin/eines Edelsteinschleifers. Die Schwerpunkte der Arbeit sind breit gefächert, abwechslungsreich, kreativ und verantwortungsvoll. Die Arbeit mit Edelsteinen, die oftmals nur von geringem Gewicht bzw. geringer Größe, aber umso teurer sind, verlangt viel Präzision und sorgfältiges Arbeiten, Konzentration, Geschicklichkeit und Demut. Ein Verlust von zu viel Material des Rohsteins bedeutet verlorenes Geld. Jedes Karat zählt.
Die Inhalte der Arbeit von Edelsteinschleiferinnen/Edelsteinschleifern
"Ein gewandter Schleifer versteht es, die Facetten so zu legen, dass die Fehler für den unerfahrenen Beobachter wenig oder gar nicht hervortreten."- Max Bauer (1844 bis 1917); Mineraloge
Die Arbeit eines Edelsteinschleifenden erfordert viel Wissen rund um die Eigenschaften der Edelsteine. Es gibt Steine, die reagieren aufgrund ihres spröden Charakters empfindlich auf die mit dem Schleifen einhergehenden Druck- und Temperaturbelastungen. Andere verlangen nach Werkzeugen besonderer Härte. Wieder andere Mineralien, deren Besonderheit beispielsweise Asterismus/Sterneffekt oder Chatoyance/Katzenaugeneffekt ist, wollen optimal präsentiert werden.
Um Edelsteinschleifer oder Edelsteinschleiferin zu werden, ist kein bestimmter Schulabschluss notwendig; der Hauptschulabschluss reicht, genau wie man mit Abitur diesen Beruf erlernen kann.
Die wichtigste Voraussetzung für den Einstieg ist das Interesse an Mineralien.
Know how in Mathe zur Berechnung der Winkel diverser Facettenschliffe oder zur Gestaltung der symmetrischen Harmonie der Proportionen sind vorteilhaft. Grundkenntnisse der Informatik sind wünschenswert, da das Schleifen von Edelsteinen immer häufiger computergesteuert erfolgt. Der Laser gehört mittlerweile zum Alltag von Edelsteinschleifenden, die obendrein die Geräte kalibrieren, Einstellungen vornehmen, entsprechende Apps beherrschen und sich auch mit der Programmierung der Geräte befassen. Nicht zuletzt ist ein Faible und Verständnis für Physik bedeutend, da die Brillanz von Edelsteinen das Gebiet Optik, sprich: Dispersion und Lichtbrechung, beinhaltet.
Künstlerisches Geschick und der Sinn für Ästhetik sind ebenfalls ein Pluspunkt, um das Schöne schon vor dem geistigen Auge zu haben, bevor es an die Umsetzung des Schliffs am Rohstein geht. Aufgaben, die alle während der Ausbildung gelehrt werden. Kristallographie, d.h. der chemische und physikalische Hintergrund von Mineralien, gehört genauso zum Lehrplan wie Freihandzeichnen und kaufmännische Belange unterrichtet werden.
Das Schleifen von rohen, naturbelassenen Steinen ist die Hauptaufgabe von Edelsteinschleifenden. Die Arbeit erfolgt manuell an Schleifmaschinen oder wird maschinell übernommen.
Edelsteinschleiferinnen und Edelsteinschleifer werden aber auch in die Jahre gekommene Schmucksteine anvertraut. Steine, die Alterserscheinungen haben, der Glanz in Mitleidenschaft gekommen ist, bei denen ab- und angebrochene Facetten oder Kratzer auf der Oberfläche das Gesamtbild stören. Hier gilt es, Schönheitsfehler auszubessern und dem Stein zu neuem Glanze zu verhelfen.
Die eigene Kreativität können Edelsteinschleifer und Edelsteinschleiferinnen ausleben, indem sie sich neue Schliffe ausdenken oder individuelle Wünsche von Kundinnen und Kunden umsetzen. So gesehen leisten Edelsteinschleifende die Vorarbeit für den Edelsteinfasser/die Edelsteinfasserin, wenn auch alle am Ende mit dem Goldschmied oder der Goldschmiedin zusammenarbeiten.
In den ersten beiden Jahren liegt der Schwerpunkt der Ausbildung deshalb im Kennenlernen der Steine und Schliffe, deren Begutachtung und dem Erlernen des Schleifen, bevor im 3. Lehrjahr die Spezialisierung auf einen der vier Zweige des Edelsteinschleifens erfolgt.
Die Vergütung während der Ausbildung beträgt im 1. Lehrjahr durchschnittlich ca. 1040 Euro brutto, steigert sich auf 1100 im 2. Lehrjahr und 1200 Euro im 3. Lehrjahr. Das Gehalt ausgelernter Fachkräfte steigt mit der Berufserfahrung, sodass Edelsteinschleiferinnen und Edelsteinschleifer zwischen 2500 und 3500 Euro brutto verdienen.
Bis zum Jahr 2018 gestaltete sich die Spezialisierung auf ein Gebiet des Edelsteinschleifens noch anders als heute. Mit der Neufassung der Verordnung über die Berufsausbildung zum Edelsteinschleifer/zur Edelsteinschleiferin wurde der einst eigenständige Beruf des Diamantschleifers/der Diamantschleiferin in das Portfolio des Edelsteinschleifenden integriert. Ähnlich sah es 1992 aus, als der Beruf Achatschleifer bzw. Achatschleiferin in den Bereich der Edelsteinschleiferei übernommen wurde.
Der Job als Edelsteinschleiferin und Edelsteinschleifer ist ein Beruf mit Zukunft. Ob antike Schmuckstücke mit Echtsteinbesatz, die ausgebessert werden müssen, oder neue Steine, die mit einem Schliff versehen werden möchten: geschliffene Steine sind immer angesagt. Hinzu kommt, dass sich facettierte Steine in den vergangenen Jahren als Wertanlage etabliert haben, wobei der perfekte auf den Stein zugeschnittene Schliff einen Anteil von bis zu 40 Prozent am Preis ausmachen kann.
Viele Schmuckdesigner und -designerinnen verlagern außerdem zunehmend ihre Produktion ins Inland. Stichwort: kurze Lieferketten, regionale Wirtschaftsförderung und transparente Produktionsbedingungen. Die Nachvollziehbarkeit von der Gewinnung des Rohsteins bis hin zum fertig geschliffenen Stein respektive Schmuckstück gewinnt zusehends an Bedeutung.
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Quellen:
⇒ Voit, J. P. (1771): Der Steinschneider. IN: Unterhaltungen für junge Leute aus der Naturgeschichte, dem gemeinen Leben und der Kunst. Faßliche Beschreibung der gemeinnützlichsten Künste und Handwerke für junge Leute
⇒ Bergmännisches Wörterbuch, darinnen die deutschen Benennungen und Redensarten erkläret und zugleich die in Schriftstellern befindlichen lateinischen und französischen angezeiget werden (1778): Steinschneider
⇒ Krünitz, J. G: (1779): Steinschneider. IN: Oeconomische (Oekonomisch-technologische) Encyclopädie, oder allgemeines System der Land- Haus- und Staats-Wirthschaft
⇒ Krünitz, J. G. (1785): Vom Schleifen der Diamanten. IN: Oekonomische Encyklopädie, oder, Allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirthschaft
⇒ Frischholz, J. (1820): Lehrbuch der Steinschneidekunst für Steinschneider, Graveurs, Steinmetzen, Bildhauer, Architekten, Mineralogen, und jeden, welcher sich über die Veredlung der Steine zu unterrichten wünscht
⇒ Blum, J. R. (1835): Das Steinschleifen. IN: Taschenbuch der Edelsteinkunde für Mineralogen, Techniker, Künstler und Liebhaber der Edelsteine
⇒ Bauer, M. (1896): Achatschleiferei. IN: Edelsteinkunde. Eine allgemein verständliche Darstellung der Eigenschaften, des Vorkommens und der Verwendung der Edelsteine, nebst einer Anleitung zur Bestimmung derselben für Mineralogen, Steinschleifer, Juweliere, etc. Band 1
⇒ https://web.arbeitsagentur.de - Ausbildungsberuf Edelsteinschleifer/Edelsteinschleiferin
⇒ Verordnung über die Berufsausbildung zum Edelsteinschleifer und zur Edelsteinschleiferin (Edelsteinschleiferausbildungsverordnung - EdSchleifAusbV) in der Fassung vom 17. Mai 2018
Letzte Aktualisierung: 22. Februar 2024