Kupfer und kupferhaltige Minerale kommen in der Natur in vielfältigen Formen und Strukturen vor. Gediegen Kupfer bildet häufig filigrane, verästelte Gebilde, die an kleine Bäumchen erinnern, sogenannte Dendriten. Die Kupferminerale Malachit, Azurit, Chalkosin, Chalkopyrit und Bornit dahingegen sind massig, körnig, traubig, nierenförmig oder schuppig.
Eine besonders seltene Erscheinungsform sind die wenige Millimeter mächtigen, definierten Kupfererzlagen im Kupferschiefer, die sich parallel zur Schichtung abzeichnen und dabei wie mit dem Lineal gezogen wirken: das Kupferlineal.

In der historischen Literatur findet sich kein Eintrag zum Begriff Kupferlineal. Stattdessen ist von Kupfererzen die Rede, die „parallel der Schichtung laufen“. Der Bergrat Herrmann Schrader (1855 bis 1940) bezeichnete diese Ausprägung deshalb auch Kupfererze vom „Typus Mansfeld“ oder Mansfelder Bergmann Speise“.
Die Vokabel Speise wiederum stammt aus der Montangeologie. Der Enzyklopädist Johann Samuel Ersch (1766 bis 1828) definierte Speise als „in den feinsten, violblau oder goldgelb schimmernden Stäbchen eingesprengten Kupferglanz oder Buntkupfererz“, das „in Schnüren, Körnern und Nieren“ vorkommt. Auch der Berghauptmann Johann Carl von Freiesleben beschrieb im Jahr 1815 solche Erscheinungen im Kupferschiefer: „Bisweilen enthält es Streifen von reinem Kupferglanz und Buntkupfererz“.
Beim Gestein Kupferschiefer handelt es sich allerdings nicht um einen Schiefer im eigentlichen Sinne, d.h. Tonschiefer, sondern wie Gustav von Leonhard (1816 bis 1878) bereits erkannte, um einen „bituminösen Mergelschiefer“. Dieser weist dem Geologen und Mineralogen zufolge folgende Merkmale auf: „schwarzer oder graulichschwarzer Kalkmergel, dick- bis dünnschieferig, durch seinen Gehalt an Bitumen und fein vertheilten Kupfererzen“, die als „Streifen oder dünne Platten“, als Anflug oder eingesprengt vorkommen.
Im Idealfall verläuft die Kupferlinie schnurgerade, kann aber auch leicht gewölbt sein. Schrader vergleicht die Mächtigkeit der „Schnüre“ mit der eines „Messerrückens“. Besonders auffällig ist der optische Kontrast zwischen der metallisch schimmernden Erzlinie und dem dunklen Muttergestein. Schrader bemerkte, dass die Kupfererze im Kupferschiefer „im Sonnenlichte einen metallischen Schimmer verursachen“.
Dabei deuten goldgelbe Linien auf Chalkopyrit (Kupferkies) hin, „violblau und kupferrothe“ Linien sprechen für Bornit (Buntkupferkies), während ein Strich in „dunkel strahlgrau“ für Chalkosin (Kupferglanz) spricht. Weitaus seltener treten graugelber Eisenkies (Pyrit) oder bleigrauer Bleiglanz (Galenit) auf.
Das Kupferlineal ist eng mit der geologischen Vergangenheit des Fundort verbunden. Durch die Schichtung des bituminösen Mergelschiefers, beginnend vor 258 Mio. Jahren, entstand ein schieferähnliches Gefüge, in dem die Kupfererze in den charakteristischen Linien ausfällten.
Der Kupferbergbau im Raum Sangerhausen blickt auf eine über 800-jährige Geschichte zurück und gehört gemeinsam mit dem Mansfelder Revier zu den traditionsreichsten Bergbaugebieten Deutschlands.
Die ältesten Urkunden, die auf den Abbau von Kupfer hinweisen, stammen aus der Zeit um das Jahr 1200.
Aus Sicht der Geologie handelt es sich bei der Kupferschieferlage von Sangerhausen um ein dünnes, aber großflächig ausgebildetes Erzflöz aus schwarzem, bituminösem Mergelschiefer, der neben Kupfer und Kupfermineralen auch Silber Blei, Zink und weitere Metalle enthält. Die mächtigsten Zonen des Kupferschiefers erreichen im Raum Sangerhausen etwa 35 bis 40 Zentimeter, wobei nur rund 20 bis 30 Zentimeter kupferreich genug für den Abbau waren.
In den Anfangsjahren war der Kupferbergbau in Sangerhausen vor allem handwerklich geprägt.
1885 wurde der Abbau aus wirtschaftlichen Gründen vorübergehend eingestellt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Betrieb erneut aufgenommen. 1951 wurde der Thomas-Müntzer-Schacht abgeteuft, 1958 folge der Bernhard-Koenen-Schacht mit zwei Schächten in Niederröblingen und Nienstedt. Die modernen Anlagen erschlossen das Flöz in großer Tiefe und ermöglichten eine jährliche Förderung von mehreren hunderttausend Tonnen Kupferschiefererz. Insgesamt wurden im Sangerhäuser Revier zwischen 1951 und 1990 etwa 27 Millionen Tonnen Erz gewonnen, aus denen rund 600.000 Tonnen Kupfer und circa 3.000 Tonnen Silber gewonnen wurden.
Der Bernhard-Koenen-Schacht – 1964 benannt nach dem kommunistischen Widerstandskämpfer und Politiker Bernhard Koenen (1889 bis 1964) – war eine der wichtigsten Produktionsstätten des DDR-Kupferbergbaus. 1990 gingen die letzten Grubenlampen im Bernhard-Koenen-Schacht aus; die Anlagen wurden weitestgehend abgerissen oder gesichert, wie etwa das 60 m hohe Doppelbock-Fördergerüst am Schacht 2 in Nienstedt, das heute unter Denkmalschutz steht und als weithin sichtbares Wahrzeichen an die Bergbauära erinnert.
Die markanten, an Pyramiden erinnernde Spitzkegelhalden, insbesondere die „Hohe Linde“ des Thomas-Müntzer-Schachtes und der Kegel von Nienstedt, prägen die Landschaft rund um Sangerhausen immer noch und sind Zeugnis einer Zeit, in welcher der Kupfer aus dem Mansfelder und Sangerhäuser Schiefer ein wichtiger Rohstoff für die deutsche Industrie war.
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