Auf halber Strecke zwischen Brandenburger Tor und Regierungsviertel mit dem Kanzleramt gelegen - das Reichstagsgebäude am Platz der Republik, vormals Königsplatz genannt.
Allüberragend thront die Glaskuppel auf dem Reichstagsgebäude in Berlin-Mitte. Glas und Stahl in Verbindung mit Natursteinen – eine Kombination, die „moderne“ Baustoffe mit natürlichen Materialien vereint.
Beim Bau des Reichstagsgebäudes in Berlin wurden hauptsächlich drei verschiedene Gesteine verwendet: Granit, Kalkstein sowie Sandstein. Da diese Steine nicht nur unterschiedlicher Zusammensetzung sind, sondern auch aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands, aber auch aus dem Ausland stammen, ergibt sich im Detail ein kontrastreiches Farbspiel der Natursteine. Dennoch ist die Gesamterscheinung der Fassade vom Reichstagsgebäude und auch im Inneren – Wandverkleidungen und Fußboden - farblich hell: es dominiert ein hellgelber bis beiger Farbton.
Jene Unterschiede der Farbe sind im Wesentlichen auf den Mineralbestand der verbauten Gesteine zurückzuführen.
Granit ist ein magmatisches Gestein, dessen Zusammensetzung sich durch den Spruch „Feldspat, Quarz und Glimmer, diese drei vergess ich nimmer“ leicht merken lässt.
Im Gegensatz dazu sind Kalk- und Sandstein Sedimentgesteine, die durch Ablagerung von kalkhaltigen Überresten bspw. von Algen, Krebsen und Mollusken oder, wie beim Sandstein, durch die Verfestigung von Sand gebildet wurden. Entsprechend unterscheidet sich die Mineralzusammensetzung beider Sedimentgesteine.
Kalkstein besteht hauptsächlich aus den Karbonatmineralen Calcit und Aragonit, untergeordnet sind Dolomit, Feldspäte, Siderit, Quarz oder Glimmerminerale vertreten.
Sandstein ist geprägt durch Quarz als Hauptgemengteil, d.h. jenes Silikatmineral ist überwiegend am Aufbau des Gesteins vorhanden. Nebengemengteile – mit einem bis zu 5 %-igen Anteil an der Zusammensetzung beteiligt – sind Glimmer, Calcit, Feldspat und Erzminerale.
Daraus resultieren Unterschiede der Erscheinung der Reichstags-Gesteine hinsichtlich
⇒ Farbe: weiß, cremefarben, hellgelb, beige, graublau bis grau, grünlich
⇒ Oberfläche und Ornamentik: schimmernd, matt, ein- und mehrfarbig, marmoriert und gemustert
⇒ Korngröße: fein, mittel und grobkörnig
⇒ Fossilgehalt: Ammoniten, Donnerkeile, Schalenreste von Muscheln und Schwämme
Gestein | Herkunft |
Kalkstein |
Kroatien: Insel Brac Deutschland: Treuchtlingen (Bayern), Eichstätt (Bayern), Rüdersdorf (Brandenburg) |
Sandstein |
Polen: Rakowice und Lwówek (Schlesien) Deutschland: Nebra (Sachsen-Anhalt), Ibbenbüren (Nordrhein-Westfalen), Cotta (Elbsandstein/Sachsen), Udelfangen (Rheinland-Pfalz) |
Granit | Strzegom/Polen |
Mitunter werden die im Reichstagsgebäude Berlin verbauten Gesteine im Handel unter anderem Namen geführt als diese es geologisch-genetisch sind. Bezeichnungen wie Juramarmor, Bayerischer Marmor, Marmor von Brac, Treuchtlinger oder Eichstätter Marmor können auf den Verbraucher irreführend wirken. Tatsächlich handelt es sich bei den genannten Marmorsorten um das Sedimentgestein Kalkstein und nicht um das metamorphe Gestein Marmor. Der Zusatz Marmor im Handelsnamen betont lediglich die Farb- und Mustervielfalt von Kalkstein.
Aber auch die 1200 t schwere und 23,5 m hohe Glaskuppel hat einen steinernen Verwandten in der Natur. Pechstein, Perlit und Obsidian sind Gesteine, bei denen keine Kristallstruktur der aufbauenden Minerale erkennbar ist – der Fachbegriff dafür ist amorph oder vulkanisches Glas.
Das Reichstagsgebäude blickt seit der Grundsteinlegung vom 9. Juli 1884 auf eine knapp 130-jährige Geschichte zurück. Dem vorangegangen war eine Ausschreibung zur Gestaltung des Reichstags, die der deutsche Architekt Johann Paul Wallot 1882 für sich entschied.
Nachdem das Gebäude am 5. Dezember 1894 nach zehnjähriger Bauzeit fertiggestellt wurde, stellte sich wenige Jahre später heraus, dass das Platzangebot im Plenarsaal für die Abgeordneten der Weimarer Republik nicht genügte. Auch wenn 1927 und ebenso 1929 obschon Pläne gab, den Bau platztechnisch zu vergrößern, wurden diese angesichts finanzieller Engpässe eingestellt.
40 Jahre nach Baubeginn fiel der Plenarsaal einem Brandanschlag zum Opfer, so dass das Reichstagsgebäude in Gänze seit der Nacht des Reichstagsbrandes vom 27. auf den 28. Oktober 1933 nicht mehr vollständig genutzt werden konnte. Allenfalls diente das Haus fortan für Propagandaausstellungen und einzelne Treffen. 1937 kamen erneut Umgestaltungspläne auf, die der Generalbauinspektor der Reichshauptstadt Berlin Albert Speer nach den Ideen von Adolf Hitler im Zuge der Planung der Welthauptstadt Germania verfasste.
Da das Gebäude seit Bestehen zahlreiche Einbußen am Bauwerk erlitten hatte, wurde am 22. November 1954 schließlich die Kuppel des Originalgebäudes gesprengt, um weitere Einsturzschäden in Grenzen zu halten.
Auch wenn das Reichstagsgebäude seit den 1960er Jahren bis 1973 durch den deutschen Architekten Paul Baumgarten umfassend saniert wurde, war der Reichstag nur vereinzelt Tagungsort verschiedener politischer Fraktionen.
Nach der deutsch-deutschen Wiedervereinigung hingegen wurde am 20. Juni 1991 beschlossen, dass die Arbeit von Regierung und Parlament von Bonn nach Berlin verlegt werden sollte.
Damit verbunden war die Suche nach geeigneten Amtsgebäuden in der deutschen Hauptstadt Berlin, infolgedessen abermals ein Wettbewerb zur Gestaltung des neuen Regierungsviertels ausgeschrieben wurde. Gewinner des Architektenwettbewerbs war der Brite Sir Norman Foster, dessen Pläne unter 809 Vorschlägen ausgewählt wurden. Angelehnt an die Vorgabe, dass die Idee und das Konstrukt des ursprünglichen Reichstagsgebäudes von 1894 erhalten bzw. integriert werden sollte, ging Foster 1994 mit seinen Plänen mit den meisten Stimmen aus dem Rennen. Die Bauarbeiten endeten am 19. April 1999 mit der Einweihung durch den damaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse zu Ende - seitdem ist der Reichstag Sitz des Bundestags.
Im Vergleich zum einstigen Gebäude von 1884 hat sich der Reichstag sowohl in Größe als auch Gestaltung geändert, insofern das Gebäude nun viel lichtdurchfluteter und großräumiger ist. Die Fläche des Plenarsaals wurde mit heute 1200 m2 nahezu verdoppelt von vormals 640 m2 aus der Zeit von Wallot. Integriert wurden dennoch originale Gebäudestrukturen und Bauelemente, auch erhalten blieb der architektonische Mix im Stil von Renaissance, Neubarock und Klassizismus.
Eine genaue und interessante Beschreibung der Räumlichkeiten im Reichstag finden Sie auf den folgenden Seiten: www.bundestag.de
Siehe auch:
- In, auf und aus Gestein gebaut: Brandenburger Tor
- In, auf und aus Gestein gebaut: Granitschale im Lustgarten
- In, auf und aus Gestein gebaut: Olympiastadion Berlin
Quellen:
www.bundestag.de
www.berlin.de
www.granit-strzegom.com.pl
www.gelber-sandstein.de
www.geodienst.de
www.altmuehltaler-kalksteine.de
www.museumspark.de
www.juramarmor.com
⇒ Bauer, J.; Tvrz, F. (1993): Der Kosmos-Mineralienführer. Mineralien Gesteine Edelsteine. Ein Bestimmungsbuch mit 576 Farbfotos. Gondrom Verlag GmbH Bindlach*
⇒ Pellant, C. (1994): Steine und Minerale. Ravensburger Naturführer. Ravensburger Buchverlag Otto Maier GmbH*
⇒ Schumann, W. (1991): Mineralien Gesteine – Merkmale, Vorkommen und Verwendung. BLV Naturführer. BLV Verlagsgesellschaft mbH München*
⇒ Maresch, W., Medenbach, O.; Trochim, H.-D. (1987): Die farbigen Naturführer Gesteine. Mosaik Verlag GmbH München
⇒ Murawski, H. (1992): Geologisches Wörterbuch. Ferdinand Enke Verlag Stuttgart*
⇒ Schumann, W. (1994): Steine und Mineralien sammeln; finden, präparieren, bestimmen. BLV Verlag München*
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Letzte Aktualisierung:
8. Februar 2019