Die Form vieler Gesteine gibt oftmals Rätsel auf. Steine, die wirken als wären sie nicht das Werk geologischer Prozessen, sondern ein Relikt von Menschenhand. So wie im Fall von schüssel- und pfannenartigen Gebilden, die vor allem im Bereich der östlichen Nordsee vorkommen und die der Sage nach kleinen Zwergen gehörten: Hexenschlüsseln.
Die Unnerersken waren dem Volksglauben nach ein Volk von Zwergen, die in Grabhügeln auf dem Gebiet der heutigen Gemeinden Amrum, Nordstrand, Dellworm sowie auf der Insel Sylt wohnten. Viele Jahrhunderte lang wurden alle unerklärlichen Missgeschicke im Alltag der Menschen den gemeinen Streichen der Unnerersken zugeschrieben.
Als Beweis für die Existenz der Unnerersken führten die Einheimischen kleine Schüsseln und Töpfe bzw. „Arbeiten der Unterirdischen“ auf, die sie immer wieder fanden (Handelmann, 1882). So winzig wie Geschirr aus der Puppenstube und dabei stark verrostet belegen die Hexenschlüsseln, das einst vor Ort die Unnerersken für Unruhe sorgten, bis sie von Bauern vertrieben wurde.
Dass die Hexenschüsseln im Zusammenhang mit Grabhügeln gefunden wurden, hat einen anderen Grund. Wie der Geschichtsforscher Heinrich Handelmann (1827 bis 1891) im Jahr 1875 vermutete, stellen die „topf- und pfannenförmigen Naturgebilde von Limonit“ Grabbeigaben dar, die mit „einer abergläubischen oder religiösen Bedeutung“ verknüpft sind. Tatsächlich wurden bei Ausgrabungen zahlreicher Grabhügel auf Sylt im 19. Jahrhundert neben Bernsteinperlen, Knochen, Dolchen, Meißeln und Schmuck auch Hexenschüsseln gefunden.
Die älteste Erwähnung von Hexenschüsseln liegt allerdings noch einige Jahre mehr zurück: 1860 beschreibt Handelmann, damals noch unter dem Namen „Traaldaskar“, „seltsame dosen- und schüsselförmige Gebilde aus Eisenstein“, die in den Dünen von Amrum gefunden wurden.
Hexenschüsseln sind aus Sicht der Wissenschaft nicht das Werk von Zwergen, die Geschirr verhexten. Vielmehr handelt sich um Limonitsandstein.
Limonit wird in der Geologie als ein Mineralgemenge der Mineralien Goethit, Lepidokrokit und Hämatit definiert und das eine charakteristische Rostfarbe zeigt, die teilweise auch mittelbraun oder schwarzbraun bei mattem Glanz sein kann. Bei näherer Betrachtung fallen zudem glimmerartige Strukturen auf.
Die Form der ca. 2 bis 8 cm großen Hexenschüsseln ist sehr variabel: von perfekt runden Gebilden bis hin zu elliptischen, ovalen, langgezogenen oder beulenartigen Gestalten, mal höher, mal weniger hoch, ist alles dabei.
Das Alter von Hexenschüsseln wird auf die Zeit vor 30 bis 50 Mio. Jahren datiert, wobei das Ausgangsmaterial ein eisenoxid- und eisenhydroxidhaltiger Sand war. Die rundliche Form der Hexenschüsseln ist auf die Entstehung im Meer zurückführen.
Zunächst lagerten sich um einen Kristallisationskeim – ein mikroskopisch kleines Sandkörnchen oder Fragment einer Muschel – einzelne Sandkörner ab. Schicht für Schicht wuchs das Gebilde, bis es zu schwer war, um im Meerwasser zu schweben und schließlich auf den Meeresgrund sank. Durch die stetige Wasserbewegung wurde der „Sandball“ abgerollt. Im Laufe der Zeit wurde das Material von meterdicken Schichten aus Sand bedeckt, die das noch vorhandene Wasser aus den Sandsteinschichten pressten und innerhalb von Jahrmillionen zu Sandstein verfestigten, verkittet durch Eisenoxide und -hydroxide. Parallel dazu diffundierten die eisenhaltigen Bestandteile des Sandsteins nach außen und kristallisierten zu Mineralien aus, aus denen Limonit besteht. Damit einhergehend veränderte sich auch die Farbe des Sandsteins, der nun nicht mehr hellbraun bis gelbbraun war, sondern unter einer rostfarbenen Kruste verborgen lag.
Das was heute als Hexenschüsseln bekannt ist, sind durch Korrosion aufgebrochene Limonitsandsteinkugeln, bei denen der weichere Sand im Laufe der Jahrtausende aus der härteren Limonitschale herausgespült wurde. Dabei gleichen allerdings nicht alle Hexenschüsseln einer idealtypischen Halbkugel. Schon der Mineraloge und Geologe Ferdinand Senft (1810 bis 1893) beobachtete, dass Limonitkonkretionen "häufig zertrümmert (sind) und dann findet man ihre einzelnen Schalen wie Scherben zerbrochener Näpfe".
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