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Brachiopoden

englisch: brachiopoda


Inhaltsverzeichnis Brachiopoden


Brachiopoden = Armfüßer

Der aus dem Griechischen stammende Name Brachiopoda wird mit Armfüßer übersetzt und ist eine Anspielung auf das Aussehen des Meeresbewohners, für den „zu beiden Seiten des Mundes zwei befranzte Arme“ typisch sind (Giebel, 1864).

Der Begriff Brachiopoda wird in der Literatur erstmals im Jahr 1777 im Meyer Hand-Lexikon des allgemeinen Wissens unter dem Stichwort „Weichthiere (Mollusken, Mollusca)“ erwähnt und als „Kopflose Weichthiere, Armfüsser (Brachiopoda)“ definiert.
1790 setzt sich der Mediziner Johann Jakob Hartenkeil (1761 bis 1808) ebenfalls mit Brachiopoden auseinander und skizziert einen „Entwurf einer Verwandtschafts- und Stufenfolge der Thiere“.

Aus der Feder des Zoologen André Marie Constant Duméril (1774 bis 1860) stammt schließlich die erste detaillierte Beschreibung von Brachiopoden. Ihm zufolge sind Brachiopoden „Schalentragende, kopflose Mollusken mit eingefranzten, in das Innere der festsitzenden Conchylie zurückziehbaren Tentakeln“.


Merkmale von Brachiopoden

Brachiopoden gehören systematisch zum Tierstamm der Mollusken, Weichtiere, die seit mehr als 530 Millionen Jahren in den Meeren und Gewässern der Erde heimisch sind. Die Mehrheit der Brachiopoden-Gattungen ist bereits ausgestorben, einige sind nach wie vor rezent, d.h. Heute noch lebend.

Die Beschaffenheit der Tentakel war für Duméril ein Merkmal zur Unterscheidung der verschiedenen Brachiopoden. Er grenzte Brachiopoden mit „fleischig eingefranzten Tentakeln“ - charakteristisch für die Gattungen Ligularia, Kriope und Terebratel – sowie Brachiopoden mit Tentakeln „wie von einer Kruste umgeben“, vertreten durch die Gattungen Entenmuschel und Eichenmuschel, voneinander ab.

Die Tentakel wiederum befinden sich an den beiden äußeren Enden der Mundöffnung und fungieren wie Arme. Vom Mund aus führt sodann ein „kurzer Schlund in den erweiterten Magen, welcher sich in den Darm verjüngt“, in der „Eingeweidehöhle“ und schließlich im „zitzenförmigen After“ endet (Giebel, 1864).

Dass Brachiopoden auf den ersten Blick mit Muscheln (Bivalvia) verwechselt werden, liegt nicht zuletzt an den beiden Klappen. Bei genauerer Betrachtung fallen jedoch Unterschiede zwischen Muscheln und Brachiopoden auf.
Brachiopoden zeichnen sich durch eine „Ungleichheit beider Klappen“ (Giebel, 1864) auf. Die untere Bauchklappe ist im Vergleich zur Rückenklappe größer, aber jede Klappe für sich genommen ist von perfekter geometrischer Symmetrie. Im Unterschied dazu die Anordnung der Klappen von Muscheln, die eine spiegelgleiche linke und rechte Schale haben.
In der Paläontologie ist in diesem Zusammenhang auch die Rede von Dorsal- und Versalklappe die Rede, wobei unter der Dorsalklappe die Armklappe bzw. obere Klappe verstanden wird und mit der Versalklappe die unterere bzw. Stielklappe gemeint ist. Beide Klappen sind wie Muscheln auch mit einem gebogenen oder geraden Schlossrand an der Rückseite fest miteinander verbunden und so die inneren Organe schützen.
Allerdings verfügen nicht alle Brachiopoden über den Schlossmechanismus, weshalb Brachiopoden mit Schloss – Atriculata (Rhynochonellida und Terebratula) – und ohne Schloss – Inatriculata (z.B. Atremata mit Lingulata und Paterinata, Neotremata) – untergliedert werden.

Wie in den Aufzeichnung des Paläontologen Christian Gottfried Giebel (1820 bis 1881) weiterhin zu lesen ist, kann die „Schale glatt oder gestreift, gefaltet, gerippt, einfach oder trübe gefärbt, seltener etwas lebhfaft, grün, gelb, roth, bläulich schwarz“ sein.

Auffällig bei Brachiopoden ist der chitinhaltige „muskulöse Stiel, welcher zur Befestigung dient“ (von Zittel, 1895), der im Alter „verkümmert“, sodass die Brachiopode nicht mehr ortsgebunden lebt, sondern frei beweglich im Meer umhertreibt – bei versteinerten Brachiopoden oft als kreisförmige Aussparung an der Schalenunterseite zu erkennen. Unter allen Brachiopoden weist einzig die Gattung Glottidia keinen Stiel auf.

Die Größe von Brachiopoden variiert dem Biologen Johannes Leunis (1802 bis 1873) zwischen „o,7 bis 4,5 cm“, wobei auch von Exemplaren mit 30 cm Länge berichtet wurde.


Lebensweise und Fortpflanzung von Brachiopoden

Der Lebensraum von Brachiopoden ist das Wasser. Während die Mehrheit der Brachiopoden die tiefen Gewässer der Ozeane bevölkerte bzw. heutzutage dort vorzufinden ist, stellen Lingulidae eine Ausnahme dar, die laut Zittel „seichtes Wasser und schlammige oder sandige Böden“ lieben.

Brachiopoden gelten als Einzelgänger, die nicht in Kolonien leben, und als Untergrund, auf dem sie mit Stiel anhaften, auch „auf Schnecken und Muschelthiere“ zurückgreifen (Leunis, 1886).

Zur Aufnahme der Nahrung, die aus kleinen Krebsen und Kieselalgen besteht, werden die Klappen schnell geöffnet und wieder geschlossen. Die auffälligen „Arme“ dienen dabei als Utensil, um die „Nahrungstheile längs der Armrinne entlang geleiten“ zu lassen (Giebel, 1864). Tatsächlich gleicht die Nahrungsaufnahme einem Filter; die in der Strömung des Meerwasser befindliche Nahrung wird mit Armapparat, Lophophor, gefiltert.

Brachiopoden sind bis auf die Gattung Argyrotheca gleichgeschlechtlich.
Die Entstehung von Brachiopoden beginnt mit den Keimzellen in den Gonaden, die von Brachiopoden im fortpflanzungsfähigen Alter direkt in das Wasser abgegeben werden. Dort befindliche Spermien anderer Brachiopoden treffen auf die Keimzellen und münden in der Befruchtung. Schon bald darauf setzt die Entwicklung der Larven in den Eizellen ein, bis der Nachwuchs schlüpft und sich an Steine, Korallen und teilweise auch Pflanzen mit den Stiel heftet und gedeiht.


Fossile und rezente Brachiopoden

Der Großteil aller bekannten Brachiopoden lebt heute nicht mehr. Von Zittel sprach 1895 von 130 bis 140 noch lebenden Arten und 6000 fossilen. Die Zahl wurde korrigiert, sodass heute 83 Gattungen mit 375 Arten als aktuell gelten – u.a. die Klassen Terebratula, Lingulilida und Rhynochonellida, dem 1700 ausgestorbenen Brachiopoden gegenüber stehen.

Die ersten Brachiopoden erschienen während des Kambriums vor 530 Mio. Jahren.
Parallel zum großen Massensterben vor etwa 251 Mio. Jahren im Perm endete auch die Ära vieler Brachiopoden. Nahezu 95 Prozent aller Meeresbewohner und 75 & der an Land lebenden Organismen starben damals als Folge veränderter Umweltbedingungen. Der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre fiel auf 10 bis 15 Prozent (zum Vergleich heute: 21 %). Die globale Temperatur stieg, der pH-Wert in den Meeren sank, sodass die lebenswidrigen Bedingungen das Aus für die überwiegende Zahl der damaligen Ökosysteme bedeuteten.

Auch heute sind Brachiopoden nicht vor dem Aussterben gefeit, insofern Brachiopoden auf dem Speiseplan von Seesternen, Meeresschnecken/Gastropoden sowie Meeresschildkröten und auch Menschen, insbesondere der Stiel, stehen.

Die Vorkommen versteinerter Brachiopoden beschränken sich auf Sedimentgesteine – Muschelkalk und Kalkstein.


Bedeutung von Brachiopoden

Der Paläontologe Christian Gottfried Giebel war 1864 der Meinung, Brachiopoden sind „ohne allen Werth für den menschlichen Haushalt, nicht einmal durch ihre Schalen in den den Conchyliensammlungen das Auge fesseln“.
Anders sieht es allerdings bei dem „wissenschaftlichen Forscher, den Systematiker“ aus, der die „Eigenthümlichkeiten ihres Organisationsplanes, ihres innern und äußeren Körperbaues und besonders noch durch ihre geologische Entwicklung, ihre überraschende Manichfaltigkeit in frühern Schöpfungsperioden“ zu schätzen weiß.
Auch heute noch sind Funde von Brachiopoden für die Paläontologie spannend und in Hinblick auf die Rekonstruktion der Entstehung der Erde von Interesse und spielen als Leitfossil eine wichtige Rolle. D.h. Die Vorkommen von Brachiopoden ermöglichen eine grobe Altersangabe des Muttergesteins.


Mehr zum Thema Fossilien

Quellen:
⇒ Meyers Hand-Lexikon des allgemeinen Wissens in einem Band, mit vielen Karten der Astronomie, Geographie, Geognosie, Geschichte etc (1777): Weichthiere
⇒ Hartenkeil, J. J. (1790): Entwurf einer Verwandtschafts- und Stufenfolge der Thiere. IN: Medicinisch-chirurgische Zeitung
⇒ Duméril, A. M. (1806): Brachiopoden. IN: Analytische Zoologie
⇒ Suess, E. (1853): Über die Brachiopoden der Kössener Schichten
⇒ Giebel, C. G. (1864): Armfüßer. Die drei Reiche der Natur. Erste Abtheilung. Die Naturgeschichte des Thierreichs
⇒ Leunis, J. (1886): Brachiopoda. Armfüßer. IN: Dr. Johannes Leunis Synopsis der drei Naturreiche. Ein Handbuch für höhere Lehranstalten. Mit vorzüglicher Berücksichtigung aller nützlichen und schädlichen Naturkörper Deutschlands, so wie der wichtigsten vorweltlichen Thiere und Pflanzen
⇒ Schilling, S. (1890): Armfüßer (Brachiopoda). IN: Kleine Schul-Naturgeschichte der drei Reiche
⇒ Zittel, K. A. (1895): Molluscoidae. Brachiopoda. IN: Grundzüge der Paläontologie (Paläozoologie)
⇒ Oschmann, W. (2018): Leben der Vorzeit. Grundlagen der Allgemeinen und Speziellen Paläontologie
⇒ Höflinger, J. (2020): Die Brachiopoden des deutschen Lias: Bestimmungstipps für Sammler (Deutsche Jura-Brachiopoden, Band 1)

Autor: (steine-und-minerale.de)

Letzte Aktualisierung: 24.04.2024

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