Wie gewonnen, so zerronnen… Kaum wurde die Bleßberghöhle in Thüringen bei Bauarbeiten entdeckt, folgte nach 303 Tagen die Schließung.
Wie bereits dem Namen zu entnehmen ist, befindet sich die Höhle im Bleßberg (865 m ü. NN). Der Berg gehört einschließlich der Ausläufer zu den thüringischen Landkreisen Hildburghausen und Sonneberg. Nahe gelegene Ortschaften der Höhle sind Sachsenbrunn, Goldisthal, Schalkau und Steinheid.
Die Entdeckung der Bleßberghöhle ist Bauarbeiten am Bleßberg zu verdanken. Bereits in den 1990er Jahren wurden Pläne einer Bahnstrecke erstellt, die Berlin mit Nürnberg verbindet. Ein Teilstück der Strecke – Erfurt-Ebensfeld – sollte dabei unterhalb von Rennsteig und Thüringer Wald entlang führen. Zehn Jahre nach Baubeginn der ICE-Strecke wurden erste Tunnelvorläufer am 4. Dezember 2006 in den Bleßberg gesprengt. Nach den Vorstellungen der Planer soll der Tunnel nach der Fertigstellung 2016 eine Länge von 8314 m bei einer Tunnelhöhe von 8,23 m und einer Tunnelbreite von 13,64 m haben.
Nachdem mehrere Monate erfolgreich am Tunnel gearbeitet wurde, zeigte sich während der Sprengarbeiten am 30. März 2008 gegen 20 Uhr an den Wänden des Tunnels ein Loch im Gestein.
Aufgrund vorheriger geologischer Untersuchungen des Berges wurde bereits wegen des Gesteins (Muschelkalk) von kleineren Hohlräumen im Gestein ausgegangen. Um allen Eventualitäten verminderter Standfestigkeit des Tunnels aus dem Weg zu gehen, sollte das Problem mit Beton gelöst werden. Aus diesem Grund wurden 500 m3 flüssiger Beton in die Öffnung geleitet. Als sich dennoch keine Auffüllung des Felsens zeigte, wurden vom Eisenbahnbundesamt beauftragt zusätzlich zu den Ingenieuren und Geologen vor Ort Höhlenforscher (Speläologen) herangezogen. Sowohl die Deutsche Bahn als auch das Thüringer Landesbergamt hatten Interesse an der Aufklärung des Hohlraums, da Ungewissheiten im Baugrund nicht nur zeitliche Verzögerungen, sondern auch finanzielle Probleme erwarten ließen.
Während der Vorstöße in die Öffnung, die sich unterhalb der Schalkauer Ortsteile Mausendorf und Truckenthal befindet, ergründeten die Speläologen einen enormen Hohlraum. Um die Zeitfenster der Baupläne einzuhalten, wurden von der Deutschen Bahn Fristen eingeräumt. Da sich aber immer größere Höhlengänge auftaten, wurde den Höhlenexperten mehr Zeit zur Erforschung gegeben. Im Zuge dessen wurde zwei Monate später die Fortführung der Höhle auf der gegenüberliegenden Seite des Tunnels entdeckt. Der Tunnel wurde unwissentlich so angelegt, dass dieser in Nord-Süd-Richtung verlaufend das Höhlensystem in einen West- und Ostteil trennt.
Der größere Teil der Bleßberghöhle wird durch den westlichen Teil gebildet. Die Hohlräume der sogenannten 1. Bleßberghöhle nehmen auf einer erkundeten Länge von 1300 m ein Raumvolumen von 15000 m3 ein. Das System der Höhle ist derart verzweigt und ausgeprägt, dass bis zu 44 m Unterschied in der Höhe gegeben sind. Abhängig von den Klüften, Gängen und Mineralausscheidungen (Versinterungen) an den Höhlenwänden weist die Höhle eine Breite bis zu zehn Meter bei einer Deckenhöhe von 15 m auf. Gleich zu Beginn des Höhleneingangs, vom Tunnel ausgehend, existiert ein sich schlängelnder, 75 m langer See, der umso breiter wird, desto weiter in die Höhle vorgedrungen wird.
Auffällig in der westlichen Bleßberghöhle ist der Höhlenschmuck. Neben mächtigen Sinterablagerungen an den Höhlenwänden, existieren mehrere filigrane, bis zu 2,25 m lange Stalaktiten. Diese von der Höhlendecke herab reichende Mineralausscheidungen werden der Form wegen auch Makkaroni-Stalaktiten genannt. Teilweise bilden die Makkaronis zusammenhängende Formationen, die an Gardinen erinnern. Mitunter reichen die feinen Stalaktiten bis zum Höhlengrund hinunter, weshalb die Höhlenforscher diese als Harfen betitelten. Daneben finden sich mächtige vom Boden emporwachsende Stalagmiten und Excentriques. Excentriques zählen ebenfalls zu den Tropfsteinen, allerding wachsen diese willkürlich und entgegen jeder Richtungsneigung verworren und spiralförmig auf. Ebenfalls in der ersten Bleßberghöhle vorhanden ist ein kleiner Bachlauf.
Der Ostteil (2. Bleßberghöhle) ist mit einer erkundeten Länge von 170 m der kleinere Höhlenteil. Die Räume sind maximal sechs Meter breit und zehn Meter hoch. Im Gegensatz zum Westteil ist der Ostteil versinterter, so dass mögliche, weitere Gänge zugewachsen sind. Das ursprüngliche Gestein des Berginneren des Bleßbergs ist nicht mehr wahrnehmbar. Auch wassertechnisch unterscheidet sich die zweite Höhle. Seen sind nicht vorhanden, aber kleinere Bachläufe.
Verbunden sind beide Höhlenabschnitte durch einen natürlichen Tunnel, unter welchem sich weitere Hohlräume befinden.
Leider wurden bei unachtsamen Begehungen der Höhle einige der Tropfsteingebilde zerstört. Darunter auch der Hamster – eine gelbe, kleine Verdickung aus Tropfstein zwischen Makkaroni-Stalaktiten. Entgegen einiger Forderungen und Strafanzeigen wegen Verletzungen gegen das Thüringer Naturschutzgesetz, die Höhle zu erhalten und unter Naturschutz zu stellen, wurde die Bleßberghöhle am 28. Januar 2009 am Tunneleingang mit einer Plombe geschlossen. Vorher wurden Proben und besonders schöne Tropfsteine entnommen. Darunter auch die sogenannte Hochzeitstorte – ein tonnenschwerer, mehrstöckiger Stalagmit, dessen weiße Absonderung von Calciumcarbonat an Zuckerguss erinnern.
Mit dem Verschluss des Tunneleingangs existiert heute kein Zugang mehr zur Bleßberghöhle. Auch wenn die Höhle für den Tourismus der Umgebung interessant wäre, wird davon abgesehen. Die Höhle könnte aufgrund der engen Gänge keine großen Besucherströme erfassen. Zudem besteht die Gefahr der Zerstörung der zarten Makkaronistalaktiten.
Um die Entwicklungen in der Höhle trotzdem weiter beobachten zu können, wurde Anfang 2010 auf dem Gipfel des Bleßbergs ein 86 m tiefes Bohrloch in die Decke der Höhle eingelassen. Somit können regelmäßig die Qualität des Wassers und Veränderungen beobachtet werden.
Die Bleßberghöhle ist Bestandteil der Schalkauer Platte. Als eigenständige Gebirgsplatte ist diese Teil der Fränkischen Linie. Jene bis 20 km breite geologische Störung reicht in Deutschland vom südlichen Thüringen hin zum Fichtelgebirge und Oberpfälzer Wald. Kennzeichen der Fränkischen Linie ist die besondere Anordnung der Gesteine – Schiefer überlagern teilweise Sedimentgesteine der Trias. Die etwa vor 220 Mio. Jahren gebildeten Gesteine der Trias – Muschelkalk, Buntsandstein und Keuper – gehen aus dem Verwitterungsschutt älterer, abgetragener Gebirge hervor (detaillierte Beschreibung der Entstehung des Thüringer Schiefergebirges und Muschelkalks in den Berichten zum Schneckenstein und Eckartsburg).
Als infolge tektonischer Plattenbewegungen weiter südlich die heutigen Alpen aufgefaltet wurden, kam es im Bereich des jetztigen Mitteldeutschlands zu Brüchen, die Ausdruck in Form von Schollen fanden. Dabei kam es u.a. zur Heraushebung des Thüringer Waldes. Als während weiterer tektonischer Aktivitäten vor 54 Mio. Jahren das Fichtelgebirge empor gehoben wurde, wurden mächtige Gesteinsmassen in Bewegung gesetzt. Damit verbunden war das Hinübergleiten von Schichten des Thüringer Schiefergebirges über den Muschelkalk.
In den nachfolgenden Jahrtausenden veränderte sich das Gestein unterhalb der Erdoberfläche weiter. Bedingt durch die Tatsache, dass Schiefer ein porenloses, dichtes Gestein ist, kann Niederschlags-, Boden- oder Grundwasser perfekt abgeleitet werden. Aufgrund der Neigung der Schieferplatten im Bereich der Schalkauer Platte wurde das Wasser in den Muschelkalk geführt. Angereichert mit Kohlensäure, Huminsäuren und weiteren Ionen erhielt das Wasser einen sauren pH-Wert. Trifft saures Wasser auf Kalkgesteine, erfolgen Reaktionen, die unter dem Begriff Karst zusammengefasst werden. Infolge der Lösungsverwitterung wird durch kohlensäurehaltiges Wasser das Gestein nach und nach zersetzt. Die dabei gelösten Calcium-Ionen gehen in Lösung und werden mitunter an anderer Stelle ausgefällt. Erfolgt dieser Vorgang unter der Erdoberfläche entstehen im Resultat Hohlräume, die auch Tropfsteine enthalten – auf diese Weise wurde die Bleßberghöhle gebildet.
Das Alter der Bleßberghöhle selbst wird auf 10 Mio. Jahre geschätzt. Als sicher gilt zudem, dass der Ostteil älter ist als der Westteil. Beleg dafür sind die ausgeprägten, mächtigeren Versinterungen. Üblicherweise können zur Datierung von Höhlen deren Tropfsteine herangezogen werden. Ähnlich wie Baumringe weisen Tropfsteine Wachstumsringe auf, die jährlich nur um wenige Millimeter Zuwachs gewinnen. Bei den Untersuchungen der Bleßberg-Tropfsteine stellte sich jedoch heraus, dass das Wachstum nicht kontinuierlich erfolgte. Daraus kann geschlussfolgert werden, dass die Höhle zeitweilig kein Wasser führte bzw. zugeführt bekam, da Voraussetzung für das Wachstum von Tropfstein u.a. Wasser ist.
Fraglich bleibt, ob die Höhle, die eine Bereicherung für Höhlenforscher, Geologen und den Naturschutz in Thüringen sowie Deutschland darstellt, jemals wieder begehbar sein wird.
Siehe auch.
- Höhlen in Deutschland - Marienglashöhle
- Höhlen in Deutschland - Saalfelder Feengrotten
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Quellen:
- Thüringer Höhlenverein e.V.: ausführlicher Bericht zur Entdeckung und Beschreibung der Höhle, umfangreiches Bildmaterial
- Fachgruppe Höhlen- und Karstforschung Sonneberg: Dokumentation der Höhlenbegehung, weitere Bilder
- Freistaat Thüringen, Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz, Abteilung Umwelt, Wasser und Bergbau: Filmbeitrag über die Bleßberghöhle, einschließlich Aufnahmen der Hochzeitstorte, Makkaronigardinen und Harfen
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⇒ Schumann, W. (1991): Mineralien Gesteine – Merkmale, Vorkommen und Verwendung. BLV Naturführer. BLV Verlagsgesellschaft mbH München
⇒ Maresch, W., Medenbach, O.; Trochim, H.-D. (1987): Die farbigen Naturführer Gesteine. Mosaik Verlag GmbH München
⇒ Murawski, H. (1992): Geologisches Wörterbuch. Ferdinand Enke Verlag Stuttgart
⇒ Schumann, W. (1994): Steine und Mineralien sammeln; finden, präparieren, bestimmen. BLV Verlag München
Letzte Aktualisierung:
23. März 2024