Crailsheimer Trochitenkalk
Der Trochitenkalk alias die Knochenbreccie von Crailsheim
Eine der ältesten Beschreibungen des Trochitenkalksteins von Crailsheim stammt aus dem Jahr 1850 – damals noch unter dem Namen „Knochen-Breccie des Muschelkalks von Crailsheim“ (Bronn und Römer, 1850), wobei der Begriff Brekzie in der Geologie ein klastisches Sedimentgestein definiert, in welchem kantige Fragmente in einer feinkörnigen Gesteinsmatrix eingebettet sind.
Der Geologe Bernhard von Cotta (1808 bis 1879) konkretisiert die „Knochenbreccie von Crailsheim“ 1856 als ein „Bonebed mit Knochen und Coprolithen von Sauriern und Fischen“.
Crailsheimer Trochitenkalk
Crailsheimer Trochitenkalk ist ein mit Fossilien durchsetzter Kalkstein, der in der Umgebung von Crailsheim in Baden-Württemberg gefunden und industriell abgebaut wird. Das Gestein enthält große Mengen an den namensgebenden Trochiten – Seelilienstängel, neben weiteren zu Stein gewordenen Zeugnissen der Tier- und Pflanzenwelt der erdgeschichtlichen Vergangenheit.
Die Farbe des Crailsheimer Trochitenkalks ist hell- bis mittelgrau, teilweise auch blaugrau mit deutlichem Fossilgehalt. Die namensgebenden Trochiten sind anhand der flachen, rundlichen Form, die Münzen ähnelt – daher auch die allgemeinsprachliche Bezeichnung Bonifatiuspfennig, in der feinstkörnigen, sog. mikritischen Gesteinsmatrix erkennen. Bisweilen sind Schlieren von dunklerem, bräunlichem Tonmergel (Anteil im Gestein: 5 bis 20 %) vorhanden.
Der Fossilbestand ist sehr umfangreich und Abbild des Ökosystems vor 247 bis 237 Millionen Jahren, das auf der geologischen Zeitskala in das System der Mittleren Trias fällt. Damals lag die Region des heutigen Crailsheims auf dem Globus auf noch nicht am aktuellen Standort und auch die Umweltbedingungen waren andere. Ausgedehnte Flachmeere erstreckten sich auf dem Gebiet von Crailsheim und Umgebung.
Die Vielfalt lässt sich aufgrund der verschiedenen Fossilien im Crailsheimer Trochitenkalk sehr gut rekonstruieren.
- Trochiten bzw. Seelilien/Crinoide
- Kopffüßer wie Germanonautilus, Ammoniten, Ceratiten
- Conodonten (schlagenähnliche Meeresbewohner)
- Muscheln - u.a. Brachiopoden, Bivalvia, Lima, Ostrea, Pecten, Rhynchonella, Terebratula,
- Myalinidae, Spiriferina
- Wurmmollusken (u.a. Aplacophora)
- Seesterne/Asteroidea
- Krebstiere/Crustacea
- Knorpelfisch (z.B. Hybodus, Palaeobates)
- Schnecken wie Loxonema, Turritella/Turmschnecken
- Schlangenstern wie Ophiura und Trichasteropsis
- Saurier (Nothosauria)
- Sabellidae/Federwürmer
- Pflanzen (z.B. Voltzia)
- sowie die Stoffwechselendprodukte bzw. der Kot (Koprolith) von Tieren
Der Geologe und Paläontologe Theodor Engel (1842 bis 1933) berichtete 1883 vom „Fund einer Encrinitenkrone, die wie eine Lilie oder Tulpe bald geschlossen, bald halbgeöffnet mit dem Stiele verbunden ist“ und die angesichts der Mächtigkeit der fossilführenden Schicht keineSeltenheit ist. Engel schreibt ebenso, dass die „8 bis 10 Meter mächtigen Bänke fast lediglich aus Stielgliedern des Encrinus zusammengesetzt sind; Lima, Ostracea, Pecten, auch Stacheln von Cidaris grandaevus finden sich zahlreich dazwischen“.
Zur Erklärung: Als Trochiten werden die Stängel der Seelilien bezeichnet, während Encrinus, Encriniten und Crinoiden das Gesamtkonstrukt Seelilie umschreiben.
Entstehung und Verbreitung von Crailsheimer Trochitenkalk
Crailsheimer Trochitenkalk ist wortwörtlich ein steinaltes Gestein. Der Zeitraum der Entstehung wird auf die Ära der Mittleren Trias (vor 247 bis 237 Millionen Jahren) datiert. Gesteinsschichten, die in der nachfolgenden Zeit entstanden sind, überdecken den Trochitenkalk, sodass der Crailsheimer Trochitenkalk etwa ab 35 m unterhalb der Oberfläche ansteht. Die Mächtigkeit beträgt zwischen 8 und 10 m, wobei jeder Meter Mächtigkeit für eine Entstehungszeit von circa 7 bis 10 Millionen Jahren steht.
→ Entstehung Muschelkalk siehe hier
→ Entstehung Kalkstein siehe hier
Bedeutung und Verwendung von Crailsheimer Trochitenkalk
Auch wenn der Trochitenkalk von Crailsheim eine Schatzkiste für PaläontologInnen ist, ist das Gestein vorrangig für wirtschaftliche Zwecke interessant. Als Naturstein ist Crailsheimer Trochitenkalk sowohl für Wandverkleidungen wie auch für Fliesen, Fensterbänke, Bildhauermaterial und Treppenstufen begehrt.
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Quellen:
⇒ Bronn, H. G. und Roemer, F. (1850): Lethaea Geognostica oder Abbildungen und Beschreibungen der fur die GebirgGebirgs-Formationen bezeichnendsten Versteinerungen
⇒ Giebel, C. (1852): Zweite Periode der thierischen Entwicklung. Periode des amphibiotischen Lebens. IN: Allgemeine Palaeontologie. Entwurf einer systematischen Darstellung der Fauna und Flora der Vorwelt, zum Gebrauche bei Vorlesungen und zum Selbstunterrichte
⇒ Cotta, B. (1856): Die Lehre von den Flötzformationen
⇒ Engel, T. (1883): Geognostischer Wegweiser durch Württemberg. Anleitung zum Erkennen der Schichten und zum Sammeln der Petrefakten
⇒ www.fossilien-journal.de: Hildner, R.: Seelilien aus dem Muschelkalk von Crailsheim
⇒ Paläonotologische Gesellschaft: Fossil des Jahres 2019: Encrinus liliiformis
⇒ www.mineralienatlas.de - Crailsheim
⇒ https://lgrbwissen.lgrb-bw.de - Oberer Muschelkalk