Ein Brillant ist ein Brillant ist ein Brillant. Doch fernab des bekanntesten Schliffs von Diamanten gibt es eine Vielfalt von weiteren Schliffen, die das Ergebnis der Weiterentwicklung altbekannter oder historischer Schliffe sind und nicht zuletzt auch das Zeugnis des Fortschritts der technischen Möglichkeiten. Ein Schliff, der als ein Vorläufer des Brillantschliffs gilt und heute besonders in der Welt des Vintage-Schmucks begehrt ist, ist der Rosenschliff.
Der Rosenschliff (engl. Rose Cut) ist eine historische Form eines Edelsteinschliffs, der durch eine charakteristische Kuppelform auffällt. Im Gegensatz zum modernen Brillantschliff, der über eine spitz zulaufende Unterseite, das Pavillon, verfügt, ist der Rosenschliff an der Unterseite flach und facettenlos. Typisch für den Rosenschliff sind außerdem die gewölbte Oberseite mit dreieckigen Facetten, die sich zur zentralen Spitze hin vereinen – ähnlich den Blütenblättern einer Rose bzw. Rosenknospe; daher auch die Anspielung im Namen Rosenschliff. Eine große Tafelfacette wie bei anderen Diamantschliffen gibt es nicht.
Aufgrund der Gestalt im Seitenansicht gehört der Rosenschliff in die Kategorie der „Dünn- oder Plattsteine“, weil Rosenschliffe laut dem Mineralogen Urban Benedict Friedrich Brückmann (1728 bis 1812) „wirklich dünn und platt“ sind im Gegensatz zu den Dicksteinen wie Brillanten.
In der Aufsicht ist Rosenschliff rund und symmetrisch spiegelgleich, kann dem Lexikographen Johann Georg Krünitz (1728 bis 1796) zufolge auch „länglich, ey- und birnförmig“ ausfallen.
Der Lexikograph Christoph Adelung (1732 bis 1806) definierte den Rosenschliff im Jahr 1777 als „ein auf besondere Art geschliffener Diamant, wobei der untere Theil platt und ohne Facetten ist, der obere Theil aber enge zusammen läuft und einige Reihen Facetten hat“.
Die Anzahl der Facetten variiert innerhalb des Rosenschliff und dessen Variationen. Während der klassische Rosenschliff gemäß Carl Günther Ludovici (1707 bis 1778; Lexikograph) „24 Faßetten erfordert“, gibt es auch Rosenschliffe mit zwölf oder 36 Facetten.
In der historischen Literatur ist der Rosenschliff auch unter den Einträgen Rosendiamant, Rosenstein, diamant à rosette oder Rautenstein gelistet. Der Name Rautenstein erscheint in diesem Zusammenhang möglicherweise etwas fremd klingen, doch betrachtet man die Facetten genauer, erkennt man, dass zwei, an der längsten Seite des Dreiecks aneinandergrenzende Dreiecksfacetten eine Raute ergeben.
Der Rosenschliff ist etwa im 15. Jahrhundert entstanden; der geographische Ursprung liegt allerdings im Verborgenen. Möglich ist sowohl Indien wie auch Antwerpen.
Seit im 15. Jahrhundert in Indien die ersten Diamanten entdeckt wurden, galt der Standort als Quelle für die schönsten und hochkarätigsten Diamanten der Welt, die ihren Weg bis nach Europa fanden – unbearbeitet und geschliffen.
Denkbar als Geburtsort des Rosenschliffs ist aber auch Antwerpen in Belgien, das zu dieser Zeit dank des Hafens zum größten Umschlagplatz im Diamantenhandel gewachsen war. Auf der Route per Schiff von Indien nach Europa wurde Antwerpen standardmäßig angesteuert, da hier eine ganze Diamantenindustrie konzentriert war; angefangen von Händlern, Schleifbetrieben und Edelsteinfassern sowie kreativen Juwelieren, die ihre Diamanten von Antwerpen aus hauptsächlich nach Portugal, Spanien und England verschifften.
Der Rosenschliff ist ein vergleichsweise einfacher Schliff. Die damaligen Schleiftechniken und Werkzeuge waren ganz andere als heute. Zudem wurde sich an der naturgegebenen Form des Diamanten orientiert.
Der Entstehung des Rosenschliffs vorangegangen waren einfachste Diamantschliffe, die auf das späte 14. Jahrhundert datiert werden. Der Stil war simpel, insofern der Fokus auf der Beibehaltung der ursprünglichen Gestalt des Diamanten lag, einfache Facetten wurden hinzugefügt, Kanten geglättet und die Oberfläche auf Hochglanz poliert. Aus diesem Prototyp entstand im Laufe der Zeit zunächst ein Schliff mit vier bis sechs Facetten. Das handwerkliche Geschick entwickelte sich fortlaufend weiter, genau wie das Wissen um die Eigenschaften von Diamanten, insofern mit einer steigenden Anzahl an Facetten die Brillanz von Diamanten intensiviert werden kann.
In der Renaissance und im Barock wurde der Rosenschliff besonders beliebt – unter anderem auch wegen der flachen Bauweise, die sich hervorragend für filigrane Schmuckstücke eignete. Auch in der gregorianischen und viktorianischen Epoche im 19. Jahrhundert war Schmuck mit Diamanten im Rosenschliff weit verbreitet.
Mit der Erfindung des Brillantschliffs im frühen 20. Jahrhundert verlor der Rosenschliff an Bedeutung.
Innerhalb des Rosenschliffs gibt es mehrere Varianten, die ihren Ursprung in den im 16. und 17. Jahrhundert führenden Edelsteinschleifereien im westlichen Europa haben.
Der Inbegriff des Rosenschliffs zeichnet sich durch zwölf oder 24 Facetten aus, die auf eine mittig erhabene Kuppel zulaufen. Eine Rundiste – gürtelartig gearbeitete Facetten, die den oberen Teil vom unteren Teil trennen, gibt es nicht; genau wie der Rosenschliff ohne Pavillon auskommt.
Vom zentralen Mittelpunkt gehen gleichgroß gearbeitete Dreiecksfacetten aus, an deren unterem Ende sich wiederum dreieckige Facetten anschließen, sodass zwei aneinander liegende Dreiecke eine Raute ergeben. Die „Lücken“ der unteren Facettenreihe werden abermals von weiteren Dreiecksfacetten geschlossen.
Die Antwerpener Rose ist eine Interpretation des originalen Rosenschliffs, der dank trapezförmiger und dreieckiger Facetten geometrischer wirkt und in der Aufsicht einem Hexagon bzw. einer Bienenwabe gleicht.
Von der höchsten Stelle der Antwerpener Rose – ebenfalls die Mitte – gehen sechs dreieckige aneinanderliegende Facetten aus. An der unteren Seite dieser Facetten schließen sich trapezförmige Facetten an, die zum äußeren Rand des Schliffs hin die längste Ausdehnung haben.
Die Holländische Rose ist ebenfalls aus der klassischen Rose entstanden und hat mit sechs, neun oder zwölf Facetten deutlich weniger Facetten, was sich anhand der flacheren Oberseite und reduzierten Glanz bemerkbar macht.
Im Gegensatz zu anderen Rosenschliffen verfügt die doppelte Holländische Rose über eine Unterseite, die spiegelgleich mit dem oberen Teil ist und 36 oder mehr Facetten zählt. Dadurch ist die Doppelte Holländische Rose in der seitlichen Betrachtung auch höher gewölbt und fällt durch einen intensiveren Glanz gegenüber dem Rosenschliff auf.
Der Rosenschliff ist vor allem für kristallklare Schmuck- und Edelsteine gedacht und gemacht, da durch die Einfachheit der Facetten wegen der geringen Anzahl selbiger Einschlüsse in den Kristallen leicht ins Auge fallen.
Auch wenn der Rosenschliff als Diamantschliff berühmt geworden ist, zeigen viele historische Schmuckstücke, edelsteinbesetzte Waffenscheiden und Schwertgriffe oder ökumenische Preziosen, u.a. aus den Händen historischer Goldschmiede wie Christian Schweling, Johann Daniel Treudel und Cornelius Schweling, dass auch Turmaline, Rubine, Amethyste, Bergkristalle und Saphire in längst vergangenen Zeiten im Rosenschliff gehalten wurden. Umfangreiche Werke mit Edelsteinbesatz im Rosenschliff befinden sich beispielsweise in den Sammlungen des Trierer Kurschatzes, der Domschatzkammer Köln und des Diözesanmuseums Limburg.
Dass der Rosenschliff in der Vergangenheit häufig verwendet wurde, hat einen Grund: der Rosenschliff ist ein dankbarer Schliff mit wenig Materialverlust. Steine, die für Schliffe mit markantem Volumen, z.B. Brillantschliff, Ovalschliff, Marquiseschliff oder Tropfenschliff, zu wenig Höhe besitzen, konnten zu Rosen geschliffen werden. Eingesetzt in prunkvolle Fassungen wurde den Steinen dennoch Bewunderung zuteil, da die Farbe im vollen Glanz erstrahlte und die Steine hochkarätiger wirkten als das tatsächliche Gewicht auf der Feinwaage.
Einzelne Diamanten im Rosenschliff, die in der Geschichte berühmt geworden sind, sind eine Seltenheit. Eine Ausnahme ist der Beau Sancy.
Entdeckt wurde der Diamant im 16. Jahrhundert in der Kollur-Mine, die sich in der Stadt Golconda befindet – die Hauptstadt der Diamanten in Indien, wo auch schon andere prestigeträchtige Diamanten wie Koh-i-Noor, Hope und Sancy den Weg ans Tageslicht fanden. Namenspate des 34,98 Karat (6,996 g) schweren Diamanten ist der französische Diplomat Nicolas de Harlay de Sancy (1546 bis 1629).
Die Farbe des Beau Sancy wird als „faint brown“ beschrieben, ein sehr helles Braun, das beinahe farblos wirkt. Das Besondere am Beau Sancy ist der Schliff: ein doppelter Rosenschliff, allerdings nicht in der runden Version, sondern als voluminöser Tropfen mit 110 Facetten, die sich auf eine Länge von 22,3 mm und eine Breite von 19,5 mm verteilen.
Im Laufe der Zeit sah der Beau Sancy viele wechselnde Besitzer. Neben der florentinischen Dynastie der Medici gehörte der Beau Sancy auch zum englischen Königshaus, bis das Haus der Hohenzollern den Diamanten im Jahr 2012 zur Versteigerung offerierte und für 7,5 Mio. Euro einen unbekannten neuen Eigentümer fand.
In den letzten Jahren erlebt der Rosenschliff eine wahre Wiedergeburt. Besonders in der Welt des nachhaltigen Schmucks und bei Verlobungsringen im Vintage-Stil findet der Rosenschliff wieder viele Anklang. Schmuckdesignerinnen und -designer schätzen die Individualität jedes Steins – denn kein rosengeschliffener Diamant gleicht exakt dem anderen.
Der Rosenschliff ist nostalgisch, ein Fenster in die Vergangenheit und ein Symbol für die historische Handwerkskunst. Alle Varianten – vom klassischen Rosenschliff über die Antwerpener bis zur Holländischen Rosen – erzählen Geschichten, die heute wieder neu entdeckt werden.
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