Schmuck gilt seit Jahrtausenden als Ausdruck von Schönheit, Status und Persönlichkeit. Doch hinter der glänzenden Oberfläche und aller Oberflächlichkeit verbirgt sich oft eine Schattenseite: fragwürdige Abbaupraktiken in Minen, ausbeuterische Arbeitsbedingungen und gravierende Eingriffe in die Umwelt. In einer zunehmend konsumbewussten Welt entsteht derzeit eine neue Generation von Unternehmen, die Verantwortungsbewusstsein, Nachhaltigkeit und Design miteinander verbindet – ohne Abstriche bei Qualität, Individualität und Schönheit.
Ein zentrales Thema von fairem Echtsteinschmuck ist die Herkunft der Materialien.
Klassische Edelmetalle wie Gold und Platin stammen häufig aus Regionen, in denen Menschenrechte und Umweltauflagen kaum greifen. Hier setzen viele junge Schmucklabels an und greifen bewusst auf recyceltes Gold zurück: Alte Schmuckstücke, Zahngold oder Industrieabfälle werden eingeschmolzen und für neue Kreationen wiederverwendet. Es entsteht ein geschlossener Kreislauf, der die natürliche Ressourcen schont und keine neuen sozialen Konflikte erzeugt.
Eine Pionierin auf diesem Gebiet ist Guya Merkle, die mit ihrer Earthbeat Foundation eine eigene Stiftung ins Leben gerufen hat, die sich für faire Bedingungen im globalen Goldabbau einsetzt.
Ebenfalls zukunftsweisend ist der Einsatz von Lab-Grown-Diamanten. Diamanten und auch andere Edelsteine, die im Labor gezüchtet werden und dabei dem natürlichen Vorbild in puncto Härte, Glanz und Struktur in nichts nachstehen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Der umweltschädliche Bergbau entfällt, die Steine sind jederzeit in gleichbleibender Qualität verfügbar, und die Herkunft lässt sich lückenlos zurückverfolgen.
Was aussieht wie ein klassischer Diamant, ist oft das Ergebnis hochmoderner Technologie: Lab-Grown-Diamanten, auch synthetische oder Labor-Diamanten genannt, bestehen wie natürliche Diamanten aus reinem Kohlenstoff in kristalliner Form. Lab-Grown-Diamanten entstehen jedoch nicht über Millionen Jahre in der Erdkruste, sondern innerhalb weniger Wochen unter kontrollierten Bedingungen in einem Labor. Dabei kommen hauptsächlich zwei Verfahren zum Einsatz:
Die Umweltbilanz von Lab-Grown-Diamanten fällt deutlich besser aus als bei klassisch abgebauten Diamanten: Laut einer Analyse von Trucost im Auftrag von SCS Global Services verursacht die Herstellung eines Karats synthetischen Diamanten etwa 85 % weniger COâ‚‚-Emissionen, benötigt weder Sprengungen noch Grundwasserentnahme, Abholzungen von Wäldern oder Umsiedlungen von Gemeinde. Auch die langen Transportwege aus Afrika, Russland oder Kanada entfallen; ein wesentlicher Vorteil in puncto Klimabilanz.
Die ersten synthetischen Diamanten wurden bereits in den 1950er Jahren von Unternehmen wie General Electric für industrielle Zwecke hergestellt, z. B. für Bohrköpfe oder Lasertechnik. Für die Schmuckbranche spielten sie jedoch erst ab etwa 2005 eine wachsende Rolle.
Im Preis liegen Lab-Grown-Diamanten oft bis zu 40 bis 70 % unter dem Preis natürlicher Diamanten gleicher Qualität (gemessen an den 4C: Carat/Karat, Colour/Farbe, Cut/Schliff und Clarity/Reinheit. Doch als Wertanlage gelten sie nur eingeschränkt geeignet: Da sie technisch reproduzierbar sind und das Angebot wächst, ist ihr Marktwert weniger stabil.
Als Vorteile von Lab-Grown-Diamanten werden die ethische Herkunft, Umweltfreundlichkeit, exakte Qualitätskontrolle und ein günstigerer Preis genannt. Nachteilig ist, dass der emotionale Mythos des „einzigartigen, unter Druck entstandenen Naturwunders“ fehlt, und auf dem Zweitmarkt gelten synthetische Diamanten (noch) nicht als wertbeständig.
Getreu dem Motto „Global denken, lokal handeln“ setzen viele verantwortungsbewusste Schmuckunternehmen auf die Fertigung in deutschen Goldschmiedemanufakturen.
Besonders in den beiden traditionsreichen Schmuck-Hochburgen Pforzheim und Idar-Oberstein haben sich über Generationen hinweg spezialisierte Betriebe Tür an Tür etabliert, die gemeinsam eine eng vernetzte Produktionskette bilden. Hier arbeiten Edelsteinschleifereien, Edelsteinfasserinnen und -fasser, Schmuckdesignerinnen und -designer sowie Gold- und Silberschmieden in engem Austausch.
Diese Konzentration an Expertise erlaubt nicht nur hohe Qualitätsstandards und kurze Wege, sondern auch eine hohe Transparenz in der Wertschöpfungskette; von der Fassarbeit bis zur Endpolitur. Zudem fördert sie eine neue Form der Wertschätzung: Wer hier fertigen lässt, entscheidet sich bewusst gegen Massenware und für Tradition, Ausbildung und faire Arbeitsbedingungen im Inland. In Zeiten globaler Lieferkettenkrisen und wachsender Nachhaltigkeitsansprüche wird das zur echten Stärke, sowohl ökologisch als auch ökonomisch.
Fairness ist ein dehnbarer Begriff. Nicht jedes Schmucklabel kann lückenlose Herkunftsnachweise für alle verwendeten Edelsteine liefern. Und nicht jedes Unternehmen arbeitet ausschließlich mit Labordiamanten, fair gehandelten Edelsteinen aus dem Kleinbergbau oder recycelt alte Edelsteine. Doch der Wille zu mehr Transparenz, zur Verbesserung der Lieferketten und Veränderung ist in den vergangenen Jahren gewachsen.
Im Fokus stehen dabei Fragen bezüglich der Herkunft der Edelsteine und Edelmetalle, wie hoch ist der Anteil an recyceltem oder zertifizierten Material? Wo wird der Schmuck gefertigt und ist eine lückenloses Kette aller Verarbeitungsschritte beispielsweise über eine Blockchain nachvollziehbar?
Perfektion ist nicht immer möglich, doch viele Unternehmen zeigen, dass Ästhetik, Qualität und ethische Verantwortung durchaus Hand in Hand gehen können.
Ein spannender Trend, der ethischen Schmuck noch nachvollziehbarer macht, ist der Einsatz von Blockchain-Technologien. Einzelne Hersteller wie Nevermined oder Everledger setzen bereits darauf, die Herkunft jedes Diamanten oder Goldbarrens digital zu dokumentieren und fälschungssicher zu speichern. Diese Technologie ermöglicht es, den Weg eines Edelsteins von der Mine oder dem Labor über den Schliff bis zur Fassung im Schmuckstück exakt nachzuvollziehen; manipulationssicher und dezentral gespeichert. So wird „Vertrauen“ nicht mehr behauptet, sondern technisch belegbar. Für die Kosumentinnen und Konsumenten entsteht ein neuer Standard: Wer ethisch korrekt einkaufen will, kann auf Wunsch künftig per QR-Code sehen, woher der Stein stammt, wer ihn geschliffen hat und unter welchen Bedingungen.
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