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Öhrli-Diamanten



Die Diamanten vom Öhrli: Wenn Diamanten keine Diamanten sind, sondern Bergkristall in Perfektion mit diamantartigem Charakter.



Das Öhrli

Das Öhrli ist der Name eines Berges mit einer Höhe von 2193 m, der im Kanton Appenzell Innerrhoden, im Nordosten der Schweiz, liegt; ca. 40 km Luftlinie südlich von St. Gallen.
Das Öhrli ist genau wie der Nachbarberg Nasenlöcher Teil eines Kalksteinmassivs, das im Atlas unter dem Eintrag Alpstein zu finden ist.

Woher der Name Öhrli stammt, erklärt der Schweizer Publizist Gabriel Rüsch (1794 bis 1856) im Jahr 1844: das Öhrli, oder auch Mons auricula“ ist ein „bis 300 Fuß hoher Felsen, mit nackten zerrissenen, unersteiglichen Wänden, die sich gleichsam wie ein Ohr am Kopfe erheben“.


Die Geschichte der Öhrli-Diamanten

… oder warum es in der Schweiz keine Diamanten gibt

Einer der ältesten Erwähnungen der Schweizer Diamanten stammt aus der Feder des Naturforschers und Arztes Johann Jacob Scheuchzer (1672 bis 1733). 1716 schreibt er über die „Falsche Schweizerische Diamanten“ bzw. Pseudoadamantes alpini, die „keine, oder sehr schmale Seitenflächen“ haben und „an beyden Enden zugespitzt“ sind.
Einige Jahre später widmet sich der Geograph Johann Kaspar Fäsi (1727 bis 1766) im Speziellen den Schweizer Diamanten vom Öhrli: „hinter dem Oehrli, finden sich unächte Diamanten“.

Schon damals wussten die Gelehrten, dass es die diamantgleichen Kristalle des Öhrlis keine Diamanten sind. Denn tatsächlich zählen aufgrund der geologischen Geschichte der Schweiz Diamanten nicht zum mineralogischen Repertoire der Schweiz. Vielmehr handelt es sich bei den Schweizer Diamanten um das Quarzmineral Bergkristall.

Der chemische Baustein von Diamanten – Kohlenstoff – ist ein Element das in der Schweiz sehr wohl in Form des Minerals Graphit zu finden ist, aber die notwendigen Voraussetzungen zur Entstehung von Diamanten waren in der Schweiz nicht gegeben.
Damit aus Kohlenstoff ein Diamant entstehen kann, sind hohe Druck- und Temperaturverhältnisse unerlässlich. Bedingungen, die im Erdmantel, etwa 250 bis 800 km unterhalb der Erdoberfläche, herrschen. Die Temperaturen liegen hier im Bereich zwischen 1.200 und 1.400 °C bei einem Druck von 100 bis 150 kbar. Damit der zu Diamanten komprimierte Kohlenstoff in die Nähe des Sonnenlichts gelangt, sind zusätzlich vulkanische Aktivitäten notwendig, die das diamanthaltige Muttergestein empor fördern. Auch wenn die Entstehung der Alpen und folglich auch der Schweiz mit tektonischen Vorgängen einherging, gibt es in der Schweiz keine Diamantvorkommen.


Schweizer Diamanten

Der Grund, weshalb in der historischen Literatur und auch heutzutage noch die Rede von Schweizer Diamanten ist, wird bei einem Blick auf die Kristalle deutlich. „Kleine, glashelle Bergkristalle“ (Bächler, 1940) in der „Gestalt doppelseitiger Pyramiden, bald ohne, bald mit kurzen Zwischensäulen“ (Rüsch, 1844).

In der Mineralogie werden solche Bergkristall-Kristalle als Doppelender bezeichnet; Kristalle, die zu beiden Enden mit den für Quarzmineralien typischen 6-seitigen Pyramiden besetzt sind. Tatsächlich erinnert die Form auch aufgrund des kurzprismatischen Charakters, anders als der idealtypische langprismatische Bergkristall, an den Habitus von Diamanten.

Eine weitere Eigenschaft der „Pseudoadamantes“ ist die kristallklare Reinheit.
Was die Größe der Kristalle betrifft, sind Öhrli-Diamanten vergleichsweise klein. Rüsch schreibt von der „Größe eines Kirschkernes“, Sommerlatt „von der Größe einer starken Erbse“ und Scheuchzer zieht den Vergleich mit Linsen.

Vor allem geschliffene Steine brauchen sich Rüsch zufolge aufgrund des Glanzes und Farbenspiel des Lichts an den Facetten nicht hinter den „schönsten bengalischen Diamanten“ verstecken, weshalb die Bergkristalle vom Öhrli von echten Diamanten „nur von guten Kennern zu unterscheiden sind“. Grund genug, dass die „Senner“ sich die Diamanten vom Öhrli „mit Silber zu Finger-Ringen einfassen liessen“ (Fäsi, 1766).

Tatsächlich ist allerdings nicht nur die Gestalt der Kristalle, die chemische Zusammensetzung und die Art des Glanzes von Bergkristalle eine andere als von Diamanten, Bergkristalle sind zudem deutlich weicher als Diamanten. Diamanten sind die härtesten Mineralien der Welt. In der Mineralogie ist es gängig, die Härte von Mineralien in zehn verschiedene Härtegrade zu unterteilen – die sogenannte Mohshärte, benannt nach ihrem Erfinder dem Mineralogen Friedrich Mohs (1773 bis 1839). Diamanten rangieren auf Platz 10, während die Mineralien abnehmend zur Stufe 1, repräsentiert von Talk, immer weicher werden. Bergkristall weist eine Mohshärte von 7 auf, weshalb Diamanten in der Lage sind, Kratzer auf der Oberfläche eines Bergkristalls zu hinterlassen, andersherum allerdings nicht.


Entstehung der Öhrli-Diamanten

Die Entstehung der Schweizer Diamanten vom Öhrli reicht weit in die geologische Vergangenheit zurück.
Bis die kleinen Kristall im mergeligen Teil des Appenzeller Kalksteins entstehen konnten, vergingen Millionen von Jahren.

Die Entstehung der Öhrli-Diamanten beginnt mit der alpidischen Gebirgsbildung, die vor etwa 100 Millionen Jahren in der Kreidezeit einsetzte. Die afrikanische Kontinentalplatte schob sich Richtung Norden auf die eurasische Platte, was mit der Heraushebung der Alpen und Faltung der Gesteine einherging. Infolge der Druckbelastung kam es zu Unstetigkeiten im Kalkstein, Spalten und Gänge entstanden, die später durch aufsteigende hydrothermale Lösungen und deren anschließende Kristallisation ausgefüllt wurden.

Die kleinen, wasserklaren Bergkristalle sind das Zeugnis eines schnellen Kristallwachstum; langprismatische Kristalle hingegen sind das Ergebnis einer langen Kristallisationszeit. Auch die erdölhaltigen Einschlüsse in einige Quarzkristallen zeugen von der schnellen Kristallbildung, insofern die Kohlenwasserstoffe nicht in Lösung mit der Kieselsäure des Quarzes gehen konnten.

Dabei ist die Quarzvarietät Bergkristall nicht das einzige Mineral, das am Öhrli vorkommt. Dolomit, Rauchquarz, Calcit, Hämatit und Pyrit sowie Bergkristall mit besonderen Wachstumsstrukturen wie Zepterquarz und Strahlstein, sternenförmig verwachsener Bergkristall kommen hier vor. Rüsch nannte außerdem Leberkies alias Markasit, Flußspath bzw. Fluorit, kugelförmigen Schwefelkies oder Pyrit und zahlreiche Versteinerungen, namentlich unter anderem Ammoniten, Austern, Trochiten, Nautila, Terebratuliten und Belemniten. Lutz und Sprecher zählten 1856 60 verschiedene Fossilien am Öhrli.


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Quellen:


Letzte Aktualisierung: 9. April 2024



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