Marienglas
Marienglas - Eigenschaften, Entstehung und Verwendung
englisch: Mary´s Glass/Marienglas | französisch: marienglas
Marienglas - Glacies Mariae
Der Name Marienglas entstand im Zusammenhang mit der kirchlichen Ikonenmalerei. Um die Bildnisse, die Maria oder Maria und Jesus darstellen, vor Verschmutzungen zu schützen, wurde das glasartige, durchsichtige Mineral anstelle von Glas verwendet.
1801 schrieb der Lexikograph Johann Georg Krünitz (1728 bis 1796), "daß der Beynahme daher entstanden sey, weil Marienbilder oder andere so genannte heilige Waaren mit zerkleinertem Spate verschönert werden" (Anm. Spat im Sinne von gut teilbaren Platten/Spaltflächen von Mineralien).
Bisweilen gibt es regionale Unterschiede in der Bezeichnung, sodass neben dem Begriff Marienglas auch der Name Madonnenglas, Fraueneis oder Frauenglas gebräuchlich ist.
Eine der ältesten Quellen, in der die Bezeichnung Marienglas erwähnt wird, stammt von Georg Agricola (1494 bis1555, deutscher Geologe), der Marienglas seinerzeit noch unter dem lateinischen Namen Glacies Mariae führte.
Dass die Gipsvarietät nach Maria benannt wurde, begründer der Geologe Friedrich August Quenstedt (1808 bis 1889) wie folgt: "da das Klare derselben (Anm.: der Kristalle) ein Sinnbild der Keuschheit bot, so liebt man es, die Marienbilder damit zu schmücken".
In Frankreich hingegen wurde Marienglas auch als ""pierre à Jesus" bezeichnet, d.h. ebenfalls im biblischen Kontext verwendet.

Echtes und unechtes Marienglas
In der historischen Literatur aus dem 18. bis ins frühe 19. Jahrhundert hinein wird der Terminus Marienglas für zwei verschiedene Mineralien verwendet: Muskovit/Glimmer und Selenit.
Beide Mineralien sind sich in Bezug auf die Spaltbarkeit sehr ähnlich und lassen sich in fenstergroße Tafeln zerlegen und wurden, bevor Glas Einzug in die Häuser hielt, als Fensterglas verwendet.
Das echte Marienglas, Muskovit, war vor allem in Russland bekannt und wurde deshalb auch Russisches Glas oder Russisches Marienglas genannt. Das deutsche Marienglas bzw. unechte Marienglas bestand aus Selenit. Um der Verwechslung aus dem Weg zu gehen, wurde der Name Marienglas ab dem 19. Jahrhundert nur noch für die Selenitvarietät Marienglas verwendet (siehe Krünitz, 1801).
Eigenschaften von Marienglas
Als Marienglas wird in der Mineralogie besonders reiner, glasähnlicher Selenit bezeichnet. Selenit wiederum ist eine Varietät von Gips (chemische Zusammensetzung CaSO4·H2O/Sulfatmineral).
Marienglas ist farblos und wurde in der Vergangenheit deshalb mit Eis und Glas verglichen.
Die Strichfarbe von Marienglas - d.h., die Farbe, die beim Streichen eines Minerals über ein unglasiertes Porzellantäfelchen entsteht - ist weiß.
Das kristallwasserhaltige Mineral kristallisiert dem monoklinen Kristallsystem folgend und bildet prismatisch, tafelige Kristalle, die bis zu 14 m lang werden können. Der Mineraloge Christian Keferstein (1784 bis 1866) schrieb 1849, dass Marienglas "grosse, sehr dünne, ganz durchsichtige Blätter, die hierin dem grossblättrigem Glimmer sehr ähnlich sind" ausbildet.
Marienglas ist von glasartigem Glanz bei durchsichtiger Transparenz. Der Bruch des Minerals ist faserig, muschelig und splitternd, die Spaltbarkeit ist sehr vollkommen.
Mit einer Mohshärte von 1,5 bis 2 auf der zehnstufigen Skala der Härte von Mineralien nach dem deutschen Geologen Carl Friedrich Christian Mohs ist Marienglas ein sehr weiches Mineral, das mit dem Fingernagel zerkratzt werden kann. Die Dichte beläuft sich auf 2,32 g/cm³.
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Entstehung und Verbreitung von Marienglas
Marienglas ist ein Mineral sedimentären Ursprungs und geht aus der Eindampfung entsprechender Lösungen hervor. Ferner kann Marienglas über den Weg der Metamorphose aus Anhydrit entstehen.
Die bedeutendsten Vorkommen von Marienglas befinden sich in Frankreich, Eifel, Mansfelder Revier und Friedrichroda/Deutschland, Italien, Spanien sowie in Naica/Mexiko.
Marienglashöhle in Friedrichroda
Die Marienglashöhle in Friedrichroda/Thüringen ist der bekannteste Standort in Deutschland, wo Marienglas über viele Jahre hinweg abgebaut wurde.
Ursprünglich wurde in der Umgebung von Friedrichroda Kupfer abgebaut, sodass nach stichprobenartigen Funden im Jahr 1775 in den Felsen des Tannenkopfs ein Stollen gesprengt wurde. Per Zufall wurde 1778 in diesem Zusammenhang ein natürlicher Hohlraum mit zahlreichen Gipskristallen entdeckt. Da der hiesige Gips von besonders hoher Reinheit war, wurde das Mineral fortan anstelle von Glas als Staubschutz für Marienbildnisse verwendet. Infolge dieser Verwendung wurde das Marienglas von Friedrichroda über die Stadtgrenzen hinaus bekannt und die Höhle Marienglashöhle genannt.
Schätzungen zufolge wurden in der Marienglashöhle seit der Entdeckung bis 1903 – als der Abbau in Friedrichroda eingestellt wurde - etwa 20.000 t Gips abgebaut und ist heute für Besucher als Schauhöhle zugänglich.
Verwendung und Bedeutung von Marienglas
Aufgrund der sehr vollkommenen Spaltbarkeit lässt sich Marienglas in feine Scheiben von gleichmäßiger Dicke zerlegen, weshalb das Mineral in der Vergangenheit als Glasersatz und als Material für Spiegel verwendet wurde - siehe auch die historischen Umschreibungen für Marienglas "lapis specularis" - Spiegelstein - und "phengites" - Sehstein/Fensterstein (Krünitz, 1801).
Laut Krünitz war Marienglas als Fenstermaterial vor allem in Sachsen, Thüringen und der Mark Brandenburg üblich, wurde aber auch in der "Kirche zu Merseburg" in Sachsen-Anhalt verbaut.
Daneben wird Marienglas als Heilstein verkauft, ohne dass eine heilende Wirkung von Marienglas in klinischen Untersuchungen bestätigt werden konnte.
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Quellen:
⇒ Wallerius, J. G. (1750): Johann Gottschalk Wallerius, Der Weltweisheit und Arzneikunst Doktors auf der königl. Akademiez zu Upsala, der medicinischen Facultät Adiunctus, der römisch-kaiserlichen Akademie der Naturforscher, auch des königl. medicinischen Kollegii zu Stockholm Mitgliedes, Mineralogie, oder Mineralreich von Ihm eingeteilt und beschrieben. Berlin 1750
⇒ Krünitz, J. G. (1801): Marien-Glas oder Fraueneis. IN: Oeconomische (Oekonomisch-technologische) Encyclopädie, oder allgemeines System der Land- Haus- und Staats-Wirthschaft
⇒ Kant, I. (1839): Immanuel Kant's Werke
sorgfaltig revidirte Gesammtausgabe in zehn Bänden
⇒ Keferstein, C. (1849): Gypsspath, Marienglas. IN: Mineralogia polyglotta
⇒ Quenstedt, F. A. (1855): Fraueneis (Marienglas). IN: Handbuch der Mineralogie
⇒ Pellant, C. (1994): Steine und Minerale. Ravensburger Naturführer. Ravensburger Buchverlag Otto Maier GmbH
⇒ Bauer, J.; Tvrz, F. (1993): Der Kosmos-Mineralienführer. Mineralien Gesteine Edelsteine. Ein Bestimmungsbuch mit 576 Farbfotos. Gondrom Verlag GmbH Bindlach
⇒ Korbel, P.; Novak, M. und W. Horwath (2002): Mineralien Enzyklopädie, Dörfler Verlag
⇒ Medenbach, O.; Sussieck-Fornefeld, C.; Steinbach, G. (1996): Steinbachs Naturführer Mineralien. 223 Artbeschreibungen, 362 Farbfotos, 250 Zeichnungen und 30 Seiten Bestimmungstabellen. Mosaik Verlag München
⇒ Schumann, W. (1991): Mineralien Gesteine – Merkmale, Vorkommen und Verwendung. BLV Naturführer. BLV Verlagsgesellschaft mbH München
⇒ www.mineralienatlas.de - Marienglas
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