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Autor: (steine-und-minerale.de) | Letzte Aktualisierung: 08.12.2023


Disthen

Disthen - Eigenschaften, Entstehung und Verwendung

<Ohrring mit Kyanit
Ohrstecker mit Disthen-Rohsteinen

Disthen = Kyanit

Der Name Disthen ist dem französischen Mineralogen René-Just Haüy (1743 bis 1822) zu verdanken, der den Begriff „Disthène“ erstmals im Jahr 1801 verwendete.
Ausschlaggebend für den Namen Disthen, der aus dem Griechischen mit zwei Stärken (di = zwei, sthenos = Härte, Stärke) übersetzt wird, ist eine besondere Eigenschaft des Minerals: „Le nom disthène a rapport à cette double vertu électrique“ - Der Name Disthen bezieht sich auf die Tugend der doppelten Elektrizität.

Haüys Kollege Karl Cäsar von Leonhard (1779 bis 1862) geht 1826 detaillierter auf den Namen und die Besonderheit ein: „Disthen erlangt durch Reibung bald negative, bald positive Elektrizität“.

Jahre später stellten andere Mineralogen eine weitere Eigentümlichkeit von Disthen fest, die heutzutage als Argument für die Etymologie des Namens Disthen angebracht wird: Disthen weist zwei verschiedene Mohshärten auf - abhängig von der Richtung, aus welcher man die Härte des Minerals prüft – horizontal oder vertikal.

In den Mineralogiebüchern des späten 19. Jahrhunderts werden dann schließlich beide Merkmale als Begründung für den Namen Disthen erwähnt; so schreibt beispielsweise der Mineraloge Johann Reinhard Blum ((1802 bis 1883): „in Beziehung auf die elektrische Eigenthümlichkeit und die der Härte“.

Unbekannt war Disthen bis zu Haüys Entdeckung dennoch nicht. Bereits 1790 beschrieb der deutsche Mineraloge Abraham Gottlob Werner (1749 bis 1817) das Mineral unter dem Titel „Aeussere Beschreibungen des Cyanits“, wobei Werner sich bei der Namensgebung auf die kornblumen- bzw. cyanblaue Farbe des Minerals bezog.


Eigenschaften von Disthen

Chemisch betrachtet handelt es sich bei Disthen um ein Aluminiumsilikat (Al2O(SiO4)), das der Mineralklasse der Silikate zugeordnet wird.

Disthen kristallisiert dem triklinen Kristallsystem folgend. Typisch für Disthen sind langsäulige, flachtafelige Kristalle, deren Oberfläche gerieft, geriffelt bzw. gestreift ist. Teilweise sind die Kristalle auch zu Zwillingen miteinander verwachsen. Die Aggregate von Disthen sind strahlig, blättrig oder massig.

Disthen weist einen faserig-spröden Bruch sowie eine vollkommene Spaltbarkeit auf. Wenn man Disthen gegen das Licht hält, variiert die Transparenz zwischen durchsichtig, durchscheinend und undurchsichtig.
Ebenso vielseitig ist der Glanz von Disthen. Ungeschliffener bzw. nicht polierter Disthen ist von glasartigem oder mattem Glanz, während frisch getrennte oder gespaltene Disthenkristalle von perlmuttartigem Glanz sind.

Disthen zählt zu den wenigen Mineralien, die zwei verschiedene Mohshärten aufweisen. Die Mohshärte wurde 1822 von Friedrich Mohs (1773 bis 1839) eingeführt, um die Härte von Mineralien einordnen zu können – aufsteigend von Mohshärte 1 (sehr weich) bis hin zu sehr hart (Diamant). Abhängig von der Richtung bzw. Betrachtungsweise der Kristallachse beträgt die Mohshärte von Disthen in der Vertikalen 4 bis 4,5 und in der Horizontalen 6 bis 7 bei einer Dichte von 3,53 bis 3,69 g/cm³.


Die Farbe von Disthen

Disthen ist hauptsächlich von blauer Farbe, wie Werner bereits 1790 erkannte, indem er das Mineral nach der cyanblauen, d.h. kornblumenblauen Farbe Kyanit nannte.

Das Blau, das sog. "berlinerblau" nach Lenz (1791) von Disthen ist nicht in allen Fällen reinblau, sondern kann auch ins Grünblaue oder Graublaue übergehen. Einige Exemplare sind milchigblau oder sind von gestreifter Optik, wo sich hellere und dunklere Bereiche abwechseln. Noch detaillierter sind die Beschreibungen der Farbe bei Gustav Leonhard (1816 bis 1878; Mineraloge und Geologe): "blaulichweiß, himmel- bis berlinerblau".

Vergleichsweise unbekannt ist, dass Disthen auch gelb, rosa, schwarz, braun oder weiß sowie "seladongrün, ockergelb, ziegelroth, blaulich- und (durch Graphit) schwarzlichgrau (Rhätizit) (Naumann, 1828) sein kann.

Die Strichfarbe von Disthen ist weiß, d.h., wenn Disthen über ein unglasiertes Porzellantäfelchen gestrichen wird, erscheint ein weißer pulverisierter Abrieb.


Sapparé

In den Mineralogiebüchern der Vergangenheit wird Disthen teilweise auch im Zusammenhang mit dem Synonym Sapparé oder Sappar genannt.

Hinter dem Begriff Sapparé steht dem Mineralogen Max Bauer (1844 bis 1917) zufolge Disthen in Edelsteinqualität, der von saphirblauer Farbe ist.

Die Entstehung des Namens Sapparé wiederum ist einer Verwechslung des Mineralogen Henri de Saussure (1829 bis 1905) geschuldet. Während er mit einigen blauen Mineralien, darunter auch Disthen und Saphir beschäftigt war, vertauschte er versehentlich die Etiketten mit der Beschriftung des Minerals, sodass ein Disthen für einen Saphir gehalten wurde.
Da Disthen aufgrund der intensiv kornblumenblauen Farbe durchaus mit Saphir verwechselt werden kann, entstand der Name Sapparé für saphirgleichen Disthen.


Verbreitung und Entstehung von Disthen

Disthen ist ein Mineral, das unter metamorphen Bedingungen entsteht, bspw. im Zuge der Gebirgsbildung oder anderweitiger tektonischer Aktivitäten, bei denen hohen Druckverhältnisse vorliegen.
Sichtbarer Ausdruck des metamorphen Entstehungshintergrundes ist die Schieferung des Minerals. Aus diesem Grund wird Disthen in der Geologie als Leitmineral zur Einschätzung der Intensität des Metamorphosegrades herangezogen, insofern Disthen als Beispiel für eine hochgradige Metamorphose steht.

Die Vorkommen von Disthen sind dabei unter anderem mit Glimmer, Sapphirin, Kornerupin, Rubin und Saphir (Korund), Andalusit, Rutil und Zoisit assoziiert und als mineralischer Bestandteil in den Gesteinen Gneis, Glimmerschiefer sowie Eklogit vertreten.

Bedeutende Disthen-Vorkommen befinden sich unter anderem in Grönland; Skandinavien; Schottland; Irland; Frankreich; Oberpfälzer Wald, Niederzissen, Wachtberg und Finkenberg/Deutschland; Zermatt, Tessin und Davos/Schweiz; Zillertal, Stubachtal, Gurktaler Alpen, Klagenfurt, Saualpe, Koralpe, Fischbacher Alpen, Mostviertel und Waldviertel/Österreich; Tschechien; Slowakei; Ukraine; Türkei; Tansania; Kongo; Naimbia; Südafrika; Afghanistan; Pakistan; China; Australien; Brasilien; Bolivien und in den USA.


Verwendung und Bedeutung von Disthen

Neben der geologisch-wissenschaftlichen Bedeutung ist Disthen ein gefragtes Mineral in der Schmuckbranche. Die Bearbeitung ist allerdings nicht ohne, da der faserige Bruch und die verschiedenen Mohshärten viel Erfahrung, Kenntnis des Minerals und Geschick voraussetzen, um Disthen zu schleifen. Facettenreiche Schliffe kommen recht selten vor, Schliffe mit glatt polierten Oberflächen wie der Cabochonschliff sind weitaus häufiger zu sehen.

Außerdem hat sich Disthen als Zuschlagstoff für die Herstellung von feuerfesten und säureresistenten Materialien bewährt.

Nicht zuletzt kommt Disthen als Heilstein, Chakrastein oder Wasserstein zur Anwendung, ohne dass die Heilwirkung in klinischen Untersuchungen bestätigt werden konnte.


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Auch interessant:


Quellen:
⇒ Werner, A. G. (1790): Aeussere Beschreibung des Cyanits. IN: Bergmännisches Journal. Dritter Jahrgang. Erster Band. Zweytes Stück. Februar 1790.
⇒ Lenz, M.J.G. (1791): Mineralogisches Handbuch: durch weitere Ausführung des Wernerschen Systems. Hildburghausen.
⇒ Haüy, R.-J. (1801): Disthène. IN: Traité de Minéralogie
⇒ Jameson, R. (1820): A System of Mineralogy, in which Minerals are Arranged According to the Natural History Method. Vol. II. Edingburgh
⇒ Naumann, C. F. (1828): Disthen. IN: Lehrbuch der Mineralogie
⇒ Germar, E. F. (1837): Cyanit (Disthen, Sappre). IN: Lehrbuch der gesammten Mineralogie
&rArr, Leonhard, G. (1851): Disthen (Cyanit). IN: Grundzüge der Mineralogie für Schule und Haus
⇒ Blum, J. R. (1874): Disthen. IN: Lehrbuch der Mineralogie (Oryktognosie)
⇒ Kobell, F. v. (1878): Disthen. Cyanit. IN: Die Mineralogie
⇒ Lehmann, J. G. (1884): Disthen. IN: Untersuchungen über die Entstehung der altkrystallinischen Schiefergesteine mit besonderer Bezugnahme auf das sächsische Granulitgebirge, Erzgebirge, Fichtelgebirge und Bairisch-Böhmische Grenzgebirge
⇒ Bauer, M. (1896): Cyanit (Disthen). IN: Edelsteinkunde. Eine allgemein verständliche Darstellung der Eigenschaften, des Vorkommens und der Verwendung der Edelsteine, nebst einer Anleitung zur Bestimmung derselben für Mineralogen, Steinschleifer, Juweliere, etc · Band 2
⇒ Schumann, W. (1991): Mineralien Gesteine – Merkmale, Vorkommen und Verwendung. BLV Naturführer. BLV Verlagsgesellschaft mbH München
⇒ Schumann, W. (1992): Edelsteine und Schmucksteine: alle Edel- und Schmucksteine der Welt; 1500 Einzelstücke. BLV Bestimmungsbuch, BLV Verlagsgesellschaft mbH München
⇒ Bauer, J.; Tvrz, F. (1993): Der Kosmos-Mineralienführer. Mineralien Gesteine Edelsteine. Ein Bestimmungsbuch mit 576 Farbfotos. Gondrom Verlag GmbH Bindlach
⇒ Pellant, C. (1994): Steine und Minerale. Ravensburger Naturführer. Ravensburger Buchverlag Otto Maier GmbH
⇒ Korbel, P.; Novak, M. und W. Horwath (2002): Mineralien Enzyklopädie, Dörfler Verlag
⇒ Medenbach, O.; Sussieck-Fornefeld, C.; Steinbach, G. (1996): Steinbachs Naturführer Mineralien. 223 Artbeschreibungen, 362 Farbfotos, 250 Zeichnungen und 30 Seiten Bestimmungstabellen. Mosaik Verlag München
⇒ Schumann, W. (2017): Edelsteine und Schmucksteine: alle alle Arten und Varietäten; 1900 Einzelstücke. BLV Bestimmungsbuch, BLV Verlagsgesellschaft mbH München
www.mindat.org - kyanite


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