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Flussperlen in Deutschland



Perlen: Ein Begriff, der mehr mit der Südsee oder südostasiatischen Ländern in Verbindung gebracht wird als mit Deutschland. Dabei wurden bis vor wenigen Jahrhunderten auch hierzulande Perlen gefunden, mit denen sich Adelige, Könige und Fürsten schmückten, aber auch Altararbeiten in Kirchen setzten auf heimische Perlen. Der Bestand der deutschen Perlen nahm in der Vergangenheit stetig ab, weshalb die heute noch existenten Flussperlen unter strengem Artenschutz stehen und über verschiedene Programme der Bundesländer wie auch länderübergreifend Teil des bundesweiten Artenschutzes wild lebender Tiere in Deutschland sind, deren Aufgabe und Ziel die Aufzucht, Neuansiedlung und Sicherung des Fortbestands ist.



Perlen in Deutschland

In Deutschland gibt es zahlreiche Muscheln, die Perlmutt produzieren, doch es ist die Muschel der Gattung Margaritifera margaritifera bzw. Flussperlmuschel, die Perlen bildet – und die in der Vergangenheit in vielen Regionen keine Seltenheit war.

Das Verbreitungsgebiet europäischer Perlen erstreckte sich einst von den Pyrenäen im Norden Spaniens bis nach Skandinavien und in östliche Richtung bis nach Russland. Die Hauptverbreitungsgebiete der Flussperlmuschel in Deutschland befinden sich im Vogtland/Sachsen, in der Lüneburger Heide/Niedersachsen, in den Flüssen Our/Eifel und Nister/Westerwald in Rheinland-Pfalz sowie im nördlichen Bayern. Teilweise geben die Namen einiger Orte oder Gewässer Hinweise darauf, dass in diesen einst Perlen vorkamen bzw. vorkommen, wie z.B. Perlenbach bei Ortenburg.


Flussperlmuschel
Flussperlmuschel (Quelle: Johann Hieronymus Chemnitz: Neues systematisches Conchylien-Cabinet, 1782)

Ob Flussperlmuscheln sich in heimischen Gewässern ansiedeln, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab.

In den letzten 400 bis 500 Jahren waren diese Bedingungen vielerorts in Deutschland gegeben.
Doch auch schon damals wurde beobachtet, dass die Population der Flussperlmuschel stetig abnimmt und aus ästhetischen sowie wirtschaftlichen Aspekten der Konkurrenz aus Asien nicht mehr gewachsen war.


Die Flussperlmuschel

Verglichen mit den in der Nord- und Ostsee häufig vorkommenden Herzmuscheln sind Flussperlmuscheln um das Dreifache so groß. Die Länge der Muscheln schwankt zwischen „5 bis 6 Zoll“ - 12 bis 15 cm – bei einer „Breite von 14 bis 16 Linien“ - 32 bis 26 cm (Aus der Natur; 1862), während das Gewicht bis zu 500 Gramm beträgt, wobei gewichts- und größentechnische Abweichungen mit dem Alter der Muschel zu erklären sind. Einen Hinweis, ob die Muschel Perlen enthält, verrät die Größe allerdings nicht. Auch nicht zwangsläufig, wenn die Form besonders stark gewölbt ist.

Die Oberfläche der Flussperlmuschel ist rau, schieferartig bzw. durch „dunkelbraune Halbringe als Spuren fortschreitenden Alters“ (Küster et al.; 1848) gekennzeichnet. Die Farbe der Muschelschalen ist „pechschwarz oder rostbraunschwarz (Küster et al.) und wird bisweilen als „unschönes Aeußeres“ (Aus der Natur) beschrieben.

Um so schöner ist der Inhalt: die Perlen, deren Größe, Form und Farbe genau wie bei exotischen Perlen individuell ist. Als besonders attraktiv und wertvoll galten milchweiße Perlen, deren „silberheller, kaum mit den Farben des Regenbogens angehauchter Glanz“ durchaus international mithalten konnte. Das Farbspektrum der Flussperlen reichte aber auch „vom Isabellgelben bis ins Dunkelpurpurrothe, vom Grau bis zu Bleifarbe“ (Aus der Natur). August Friedrich Wilhelm Crome (1753 bis 1833; Volkswirt) beschrieb die Farbe der Perlen aus Deutschland 1782 als „weiß, bey andern fällt es in gelbliche und ins bläuliche, der Farbe der Flachsblüthe ähnlich“.

Über die Vielfalt der Farben und deren Ursache wurde damals viel spekuliert und diskutiert. Viele Aussagen stützen sich auf Beobachtungen der Perlenfischer, die einen Zusammenhang zwischen der Farbe und dem Standort sahen.
So wurden aschgraue Perlen bevorzugt im „schwarzen, sandigen Boden“ gefunden. Rötliche Perlen sind das Ergebnis des Wachstums auf „Goldsandbänken“, während bläuliche Perlen auf einen lehmigen Untergrund zurückzuführen sind und weiße Perlen laut dem Magazin „Aus der Natur“ auf „weißfelsigem Grund“ gedeihen. Ebenso wurde der Zusammenhang festgestellt, dass bei spärlicher Ufervegetation die Farbe der Perlen vergleichbar arm ist. Dahingegen wären Flussperlen farbenfroher, wenn das Gewässer durch „Fabrikabfälle“ und „saure Wiesen“ verschmutzt wird.

Die Größe der Perlen ist sehr variabel. Von Flussperlen winzig wie ein Stecknadelkopf bis zur „Größe eines Kirschkerns“ (Crome; 1782) oder Perlen in der Dimension einer „Pistolenkugel“ ist alles möglich. Anhand der Größe der Perle können zudem Rückschlüsse auf das Alter der Perle gezogen werden, insofern eine Perle mit einem Durchmesser von 4 mm etwa 25 Jahre alt ist.

Neben dem Ideal einer perfekt-runden Perle kann die Gestalt der Perlen sehr unterschiedlich sein: länglich, barockförmig, d.h. ungewöhnlich geformt, gedellt oder ungleichmäßig, bzw. mit den Worten von Ernst Schick (1865) die sog. „Internett-Perlen“, sowie mehrere Perlen zu einem Perlenkonglomerat zusammengewachsen.

Der Lebensraum der Flussperlmuschel ist exquisit und beschränkt sich auf ausgewählte Bäche und Flüsse in einigen Teilen der deutschen Mittelgebirge. Eine entscheidende Voraussetzung für die Existenz der Flussperlmuschel ist die Qualität des Wassers, die kalkarm, d.h. weich, sauerstoffreich und kieselsäurehaltig sein sollte oder wie der Naturforscher Johann Matthäus Bechstein (1757 bis 1822) es 1792 festhielt: „sie liebt ein reines, klares Wasser mit sandigem oder thonigem Grunde“, wie es beispielsweise direkt an der Quelle vorkommt. Oken et al. führen deshalb 1835 als Beispiel die Gegend um Voigtsberg, Oelsnitz und Raschau auf, wo am Quellort der Weißen Elster ausgedehnte Flussperlmuschelkolonien zu finden waren/sind. Ebensolche Bedingungen in Hinblick auf die Mineralisation des Wasser sind in den Gewässern gegeben, die in den sogenannten Urgebirgen mit Granit, Gneis, Glimmerschiefer, Syenit und Grauwacke als vorherrschende Gesteine (Hessling) entspringen oder diese passieren.

Was die Wassertemperatur betrifft, sind Werte zwischen 12 und 20 °C ideal für das Wachstum.
Nicht minder von Bedeutung ist die Fließgeschwindigkeit des Flusses oder des Baches. Handelt es sich um ein schnell fließendes Gewässer, besteht das Risiko, dass die Flussperlmuscheln nicht „ankern“ können und stattdessen in lebenswidrige Gegenden verlagert werden. Ruhig fließende Gewässer und kleinere Tümpel mit schattenspendenden Erlen und Birken am Ufer, die zudem verhindern, dass Sedimente ins Wasser eingetragen werden, haben sich als positiv für das Bestehen von Muschelpopulationen erwiesen.

Des Weiteren spielt die Beschaffenheit des Untergrund eine wichtige Rolle. Ein schlammiges Fluss- und Bachbett wird von Flussperlmuscheln gemieden. Sand und feine Kiese hingegen bieten die Möglichkeit, stationär eine Kolonie zu bilden, insofern der Charakter von Flussperlmuscheln als gemütlich beschrieben wird und die Muscheln eine „phlegmatische Ruhe“ (Hessling) genießen. Dementsprechend langsam ist auch die Fortbewegungsrate, die etwa „2,5 Fuß in 9 Stunden“ (Aus der Natur) beträgt, während andere Muscheln auch nach Jahren noch am selben Standort verweilen. Der Untergrund ist nicht zuletzt wegen der Entwicklung der Flussperlmuschel von Bedeutung. Bevor die Muscheln mit 20 das Jahren fortpflanzungsfähige Alter erreichen, schlafen diese viele Jahre verborgen im Sand. Dem BUND zufolge erreichen nur 10 von 4 Mio. Muschelkerneiern diesen Meilenstein der Entwicklung.

Flussperlmuscheln leben in Kolonien, in denen alle Altersklassen vertreten sind, wobei die Lebenserwartung mit bis zu 280 Jahren angegeben wird.

Im Zusammenspiel aller Wünsche an die Umgebung scheint die Vermehrung und Ansiedlung von Flussperlmuscheln kompliziert, da für den Lebenszyklus ein bestimmter Wirt notwendig ist.
Über das Atemwasser gelangt das Muschelweibchen zunächst an die vom Muschelmännchen abgestoßenen Spermien. Innerhalb von einem Monat wachsen in der Muttermuschel 0,05 mm kleine Miniflussperlmuscheln heran, die dann zu Abertausenden ausgestoßen werden. Nun hängt es entscheidend davon ab, ob die sog. Glochidien, die Larven, beim Wirtsfisch, namentlich der Bachforelle oder dem Huchen, ankommen. Bachforellen sind in den letzten Jahren allerdings immer seltener geworden, da diese durch Regenbogenforellen ersetzt wurden. Ohne den Wirt überlebt die Larve der Flussperlmuschel zwei Tage im Wasser. Findet sich ein Wirtsfisch, haften sich die Glochidien für etwa zehn Monate an die Kiemen des Fisches, bis diese als 0,5 mm kleine Muschel im Frühjahr abfällt und sich für die kommenden Jahre im Sand einbuddelt.

Allerdings wächst nicht in jeder Flussperlmuschel eine Perle heran. Schon 1862 war im Magazin „Aus der Natur“ zu lesen, dass Perlen eine „krankhafte Absonderung in Folge der Verletzung des Thieres“ sind. Oft hängt es deshalb vom Zufall ab, ob eine Perle entsteht, Schätzungen zufolge bringt nur jede 25. Muschel eine Perle hervor; andere Angaben sprechen von jeder 2000. Muscheln. Dafür bringen einige Muscheln zwei bis 4 Perlen gleichzeitig hervor (Crome; 1782). Der Zoologe und Ökologe Karl August Möbius (1825 bis 1908) berichtet 1857, dass bei Greiz in einer Muschel zwölf Perlen auf einmal gefunden wurden. Dass tropische Perlmuscheln ertragreicher sind, liegt vor allem an der Tatsache, dass den Muscheln auf Perlenfarmen gezielt Fremdkörper implantiert werden, um zum Perlenwachstum zu animieren.


Perlenfischerei in Deutschland

Die Anfänge der professionellen Perlenfischerei in Deutschland reichen bis ins frühe 15. Jahrhundert zurück. In einer Urkunde aus dem Jahr 1437 wurde das Vorkommen von Flussperlmuscheln im Regen bei Passau und in der Teisnach bescheinigt. Nach und nach wurden in weiteren Flüssen nördlich der Donau Flussperlmuschelvorkommen aufgespürt, sodass 1862 im Raum Niederbayern, Oberpfalz, Regensburg und Oberfranken 130 Perlbäche bekannt waren. Insbesondere die Passauer Perlen waren wegen ihrer Qualität hochgeschätzt.

Die Perlenfischerei in Deutschland wurde über das Perlenregal geregelt, ein Hochheitsrecht, das u.a. eine unerlaubte Entnahme von Perlen und Muscheln unter Strafe gestellt. 1794 wurde das Recht abgeschafft. Zum Teil, weil die Perlenfischerei nicht mehr rentabel waren, anderen teils weil die Bestände dezimiert oder zerstört waren.
Bis ins 19. Jahrhundert hinein waren hierzulande mehrere Reviere bekannt, in denen intensiv nach Perlen gefischt wurde. Vor allem die Region zwischen der Donau und dem Regen im Bayrischen Wald hatte sich einen Namen als Hot Spot der deutschen Perlenfischerei gemacht.
Gefolgt vom Vogtland in Sachsen und Ausläufern in Thüringen sowie Brandenburg – entlang der Weißen Elster in den Orten Asch/heute Aš in Tschechien, Adorf, Oelsnitz, Schloss Stein, Chrieschwitz, Wagwitz, Rosenberg, Greiz sowie in der Spree bei Rheinsberg, in Lindow, in der Bober bei Löwenberg, der Neiße bei Görlitz.

Das Perlenregal legte zudem fest, wer nach Perlen suchen durfte. Nur vereidigte Perlenfischer durften dieser Bestimmung nachgehen, wenn sie den Voraussetzungen „Uebung, Erfahrung und Einsicht“ sowie Kenntnissen der „Muschelökonomie“ (Eberhard, 1751) gerecht wurden.

Der Beruf des Perlenfischers sah so aus, dass Männer in der Sommerzeit – Oken et al. sprechen von „16 bis 18 Wochen“ im Jahr bzw. von „Mai bis September“ (Möbius, 1857) – entweder im Wasser wateten und wenn einer eine Flussperlmuschel sah, „ergreift er sie mit den Zehen“ (Aus der Natur), alternativ mit der Hand. Dadurch dass Flussperlmuscheln nur in besonders klaren, sauberen Gewässern heimisch waren, konnten die Muscheln leicht erkannt werden. In tieferen Gewässern, die mit einem Kahn befahren wurden, wurde die Flussperlmuschel mit einer Stange, an deren Ende ein Messer befestigt wurde, gestochen. Die Perlen wurden noch vor Ort geöffnet, um zu sehen, ob sich im Inneren wertvoller Inhalt verbirgt. Mitunter wurden die geöffneten Muscheln, deren Perle entnommen wurde, wieder zurück ins Wasser gebracht.
Oken et al. berichteten, dass das Elstergebiet in zehn Abschnitte unterteilt, war, von denen jedes Jahr ein Abschnitt abgesucht wurde.

Für die Flussperlen aus der Elster wurde damals ein hoher Preis gezahlt, 1000 bis 3000 Taler (entspricht ca. 4300 bis 14.200 €) für eine hochqualitative Perle waren nicht unüblich. Im Schnitt bewegte sich der Wert pro Perle Linné zufolge 1782 auf 100 Taler.
Die „russisches Kaiserin“ zahlte „für jedes Loth große Perlen 60 Rubel“ (Oken et al. 1835), wobei ein Loth abhängig von der Region in Sachsen einem Gewicht von 14,06 Gramm entsprach, in Bayern 17,6 Gramm gleichgesetzt wurde.

In den Anfangsjahren der Perlenfischerei war das Geschäft noch einträglich. Ab 1804 sank die Zahl der Perlenfunde in ganz Deutschland. Trotz der Tatsache, dass die Menge der geernteten Perlen hoch war, entsprach die Qualität der Perlen nicht den Wünschen und Vorstellungen. Weiße Perlen als das Nonplusultra wurden zunehmend eine Rarität. So wurden in Bayern laut der Zeitschrift Aus der Natur in der Zeit von 1814 bis 1857 158.880 Perlen gefischt, von denen lediglich 8.937 Perlen weiß waren.

Die Perlen wurden damals als Schmuck getragen oder zur Dekoration verwendet. Im Perlmuttermuseum Adorf sind zahlreiche Kunstwerke ausgestellt, die mit Perlen und Perlmutt verziert wurden; Tabletts, Kerzenleuchter, Schatullen, Haarbürste, Thermometer und Miniaturschiffe, aber auch für die zu dieser Zeit in der gehobenen Gesellschaft angesagte Mode des Perlenhäkelns und der Perlenstickerei wurden Flussperlen verarbeitet. Eine Kette, die aus „177 Elsterperlen“ (Bauer, 1896) gefertigt wurde, befindet sich in der Schatzkammer des Grünen Gewölbes in Dresden.

Um die Erträge der Perlenfischerei zu maximieren, wurden in der Vergangenheit Versuche unternommen, Flussperlmuscheln an anderen Orten anzusiedeln. Kurfürst Maximilian III. unterstützte die Perlenzucht in Bayern und ließ unzählige Flussperlmuscheln in den Kanal vom Schloss Nymphenburg versetzen. Ein fataler Fehler, wie sich Jahre später herausstellte.
Flussperlmuscheln sind sensible Organismen, die weiches Wasser bevorzugen und in ihrer neuen Heimat, deren Flüsse vom Kalksteingebirge der Alpen gespeist wurden, konnten sie aufgrund des Mineralgehalts des Wassers nicht gedeihen. Der Umsiedlung ging der Gedanke bzw. Trugschluß voraus, dass die Fischerei der Flussperlmuscheln noch üppiger ausfallen würde, wenn diese in kalkreichen Gewässern leben, da Calciumcarbonat in Form des Minerals Aragonit als wesentlicher Baustein der Perle essentieller Bestandteil ist.

Erfolgreicher hingegen war die Verpflanzung von Muscheln nach Heidelberg. Das Wasser hier war weich und die Muscheln fanden in der Gegend im Steinbach bei Ziegelhausen, Schönau und Kreuzsteinach optimale Wachstumsbedingungen.

Das Geschäft mit den Flussperlen florierte im 18. Jahrhundert. 1862 schrieb das Magazin „Aus der Natur“, dass die Ausbeute inländischer Perlen „armselig“ sei, weil die „Quellen dieses Reichthums fast gänzlich erschöpft“ waren. Akribisch wurden über Jahre hinweg die Zahlen der Perlenbäche und -flüsse archiviert, jedes noch so kleine Perlenbächlein wurde erfasst, jede einzelne Perle dokumentiert mitsamt der Kosten des Erhalts und der Pflege, die im Laufe der Zeit höher als der Gewinn waren.

Der Rückgang in der Perlenwirtschaft wurde allerorts verzeichnet. Jürgen Jungbluth schrieb 1978, dass 1925 im Vogtland noch 700 Muscheln gezählt wurden. Bis 1958 schrumpfte die Zahl erheblich. Ähnliches berichtete er von der Wettera in Thüringen, wo 1925 noch 9.000 Muscheln lebten, 1967 waren es noch 780 und 1974 wurden gerade einmal 50 Flussperlmuscheln gezählt. Vergleichbar sah die Situation in der Weißen Elster aus. 1964 wurden 28 bis 30.000 Flussperlmuscheln erfasst, 1969 waren es 3000 bis 4000 Exemplare.

Heute ist die Perlenfischerei der Flussperlmuscheln Margaritifera margaritifera nach der Verordnung zum Schutz wild lebender Tier- und Pflanzenarten, Bundesartenschutzverordnung, sowie § 7 Bundesnaturschutzgesetz streng verboten.


Gefährdung der Flussperlmuschel

Flussperlmuscheln sind Teil eines empfindlichen Ökosystems. Stimmt eine Variable nicht, ist der Bestand gefährdet.
Die Eutrophierung von Gewässern, die durch die Anreicherung von Nährstoffen ausgelöst wird, bspw. Durch Einträge aus der Landwirtschaft/Silage, Dünger oder Abwässer bis hin zu Schwebstoffeinträgen von Truppenübungsplätzen der Bundeswehr (NUA, NRW 2006) geht parallel mit der Verschlammung der Perlbäche und -flüsse einher. Elias Theodor von Hessling hielt 1859 konkret fest, dass „nachtheilig für seine Perlenzucht war überhaupt das Vitriolwerk zu Bodenmais“ in Bayern. Oken et al. Führen in Sachen ein Pochwerk als Störfaktor an, in dem erzhaltige Gesteine zerkleinert werden, welches „das Wasser mit mineralischen Stoffen verunreinigt“.
Im Normalfall regeln aerobe Mikroorganismen den Abbau. Dazu brauchen diese Sauerstoff und ein Teufelskreislauf entsteht. Das Wasser ist nährstoffreich, was verschiedene Lebewesen anzieht, die wiederum Sauerstoff verbrauchen – in der Bilanz mehr als dass für den Abbau des Schlamms zur Verfügung steht. Die Folge: anaerobe Mikroorganismen treten an die Stelle der aeroben Helfer. Giftige Faulschlämme entstehen, das Gewässer kippt.

Ein weiteres Problem stellen Fraßfeinde dar, bei denen Flussperlmuscheln auf dem Speiseplan stehen wie u.a. Otter, Bisamratte, Waschbär, Raben, Krähen und Elstern. Auch Extremwetterlagen und die Schneeschmelze im Frühjahr können den Lebensraum der Flussperlmuschel beeinträchtigen und gefährden, insofern gewaltige Wassermengen die Muscheln mit sich reißen oder unter mitgeführtem Geröll vergraben werden.

Einer der größten Feinde der Flussperlmuscheln war und bleibt der Mensch. Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein wurden die Muscheln als Köder für Fische verwendet. Nutztieren wie Enten und Schweinen als Kraftfutter verabreicht, Muscheln als Mahlzeit serviert sowie als Arznei verschrieben, wobei die „chimische Präparationes aus den Perlen“, die „Perlenmilch“, laut dem Mediziner Johann Eberhard (1727 bis 1779) 1751 „nur wenig Trost „ spendete und die „Wirkung hier nur zufällig“ war.

Der Arzt Elias Theodor von Hessling (1744 bis 1840) schrieb, dass Perlen kalbenden Kühen gegeben wurden, Hunden unter das Futter gemischt wurden, in der Annahme, das Wachstum zu verhindern und stattdessen ein kleines Schoßhündchen zu züchten. Blinden Pferden wurde Perlenpulver in die Augen gegeben.

Ferner werden als Ursache für den Rückgang ausgedehnter Flussperlmuschelkolonien als Indikator für ein intaktes Ökosystem Parasiten und „Wurmbefall“ (Schröter, 1779) sowie die geringen Bestände an Bachforellen genannt.

Demgegenüber stehen zahlreiche Programme, deren Inhalt die Renaturierung der Lebensräume, der Schutz, die Aufzucht und Wiederansiedlung von Flussperlmuscheln ist. Dazu werden u.a. in Teichbetrieben Bachforellen gezielt mit Flussperlmuschellarven geimpft, die im Juni abgefischt und in Reusen in geeigneten Bachläufen ausgesetzt werden. Zu den weiteren Maßnahmen zählen die Uferrandpflege mit Vegetation und Steinen, die vermeiden, dass Sedimente ins Wasser verlagert werden sowie die Arbeit am Gewässer an sich. Begradigungen von Flüssen haben sich ebenso kontraproduktiv erwiesen wie die Verringerung der Breite des Bach- oder Flussbetts.


Mehr zum Thema Perlen:

Quellen:
⇒ Geiger, M. (1637): Margaritologia sive dissertatio de margaritis, in qua post uaria ad Margaritas Bauaricas in usu medicinali, uiritas et effectibus aequiualere Orientalibus et Occidentalibus elaborata
⇒ Unbekannt (1732): Von Voigtländischen Perlen. IN: Miscellanea physico-medico-mathematica oder angenehme, curieuse und nützliche Nachrichten von Physical- u. Medicinischen, auch dahin gehörigen Kunst- und Literatur-Geschichten, welche in Teutschland und andern Reichen sich zugetragen haben oder bekannt worden sind.
⇒ Eberhard, J. P. (1751): bhandlung von dem Ursprung der Perle, worin deren Zeugung, Wachsthum und Beschaffenheit erklärt und eine Nachricht von verschiedenen Perlenfischereien gegeben wird
⇒ Schröter, J. S. (1779): Die Geschichte der Flußconchylien mit vorzüglicher Rücksicht auf diejenigen welche in den thüringischen Wassern leben
⇒ Chemnitz, J. H. (1782): Neues systematisches Conchylien-Cabinet
⇒ Bechstein, J. M. (1794): Die Perlenmuschel. IN: Kurzgefaßte gemeinnützige Naturgeschichte des In- und Auslandes für Schulen und häuslichen Unterricht
⇒ Cromer, A. F. W. (1782): Europens Produkte. Zum Gebrauch der Neuen Produkten-Karte von Europa
⇒ Linné, C. v. (1782): Des Ritters Carl von Linné Lehr-Buch über das Natur-System so weit es das Thierreich angehet. In einem vollständigen Auszuge der Müllerischen Ausgabe. Mit Kupfern. Zweiter Band
⇒ Oken, L. und Walchner, F. A. (1835): Die Flußperlmuschel. IN: Allgemeine Naturgeschichte für alle Stände
⇒ Möbius, K. A. (1857): Die echten Perlen. Ein Beitrag zur Luxus-, Handels- und Naturgeschichte derselben
⇒ Hessling, T. v. (1859): Die Perlmuscheln und ihre Perlen naturwissenschaftlich und geschichtlich mit Berücksichtigung der Perlengewässer Bayerns beschrieben
⇒ Aus der Natur (1862): Die Perlenfischerei in Deutschland
⇒ Schick, E. (1865): Allgemeine Waarenkunde in gedrängter systematischer Darstellung und mit besonderer Berücksichtigung der statistischen Verhältnisse. Ein Handbuch für Kaufleute, Fabrikanten, Kameralisten, insbesondere aber für die Zöglinge des Handels
⇒ Bauer, M. (1896): Edelsteinkunde. Eine allgemein verständliche Darstellung der Eigenschaften, des Vorkommens und der Verwendung der Edelsteine, nebst einer Anleitung zur Bestimmung derselben für Mineralogen, Steinschleifer, Juweliere, etc · Band 1
⇒ Jungbluth, J. (1978): Die Bestandsentwicklung der Flußperlmuschel (Margaritifera margaritifera L., Mollusca: Bivalvia) an mitteleuropäischen Standorten
Verordnung zum Schutz wild lebender Tier- und Pflanzenarten (Bundesartenschutzverordnung - BArtSchV in der Fassung von 2005
Natur- und Umweltschutz-Akademie des Landes Nordrhein-Westfalen (NUA) (2006): Schutz und Erhalt der Flussperlmuschel in Nordrhein-Westfalen. IN: NUA-Heft Nr. 20
https://lfu.rlp.de - Flussperlmuschel
www.margaritifera.eu
www.flussmuscheln.de
www.lanu.de, Sächsische Landestiftung Natur und Umwelt - Nachzucht der Flussperlmuschel
Perlmutter- und Heimatmuseum Adorf
www.bund.net - Flussperlmuschel auf der Roten Liste

Letzte Aktualisierung: 23. Februar 2024




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