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Lapides quinque pretiosi – Die fünf Heilsteine des Mittelalters



Heilsteine sind keineswegs eine Erfindung der Neuzeit. Schon der römische Universalgelehrte Plinius der Ältere (23 bis 79 n.Chr.) berichtete von den vermeintlichen Kräfte einiger Steine. Mit Hildegard von Bingen (1098 bis 1179) erlebten auserwählte Mineralien, denen eine heilende Wirkung auf zahlreiche gesundheitliche Beschwerden zugeschrieben wurde, im Mittelalter große Bekanntheit. In Zeiten, als nur wenige Menschen über das nötige Geld verfügten, einen Bader oder Heilkundigen zu bezahlen, vertrauten viele auf die fünf kostbaren Steine: Lapides quinque pretiosi.



Fünf kostbare Steine

Der Begriff Lapides quique pretiosi wird aus dem Lateinischen mit fünf kostbare Steine übersetzt und fasst fünf Mineralien zusammen, die im Mittelalter eine wichtige Rolle in der Medizin bzw. als Arznei gespielt haben.

Namentlich handelt es sich bei den fünf wertvollen Steinen um

Abhängig von der Quelle kann die Auflistung leicht abweichen oder veraltete und lateinische Begriffe in der Aufzählung genannt werden.
An die Stelle von Granat tritt z.B. Carbunculus oder Karfunkelstein: die historische Sammelbezeichnung für Steine, deren Farbe an rot glühende Kohle erinnert und sowohl Granat, Rubin wie auch Spinell meint. Karneol wird teilweise synonym mit Sarder erwähnt.


Fünf Steine gegen das Böse

Woher das Wissen stammt, dass genau diese Steine in der Heilkunde verwendet wurden, ist nicht überliefert. Oftmals ist es Empirie, die zum Tragen kommt – die Erfahrung, dass ein Stein zufällig bei einem Problem geholfen hat, dies möglicherweise auch ein weiteres Mal könnte.
Dazu kommen Elemente aus der Farbenpsychologie. Grün, die Farbe des Gifts, findet sich im Smaragd wieder und stand nach dem historischen Verständnis als Arznei gegen Vergiftungen zur Verfügung, während rote Steine für alle Leiden geeignet sind, bei denen Blut beteiligt ist.

Der Botaniker und Arzt Adam Lonitzer (1528 bis 1586) hat sich seinerzeit intensiv mit der Funktion von Steinen als Medizin auseinander gesetzt.
Über Granat alias granatus schreibt er: „machets Herz fröhlich und verbreitet die traurigkeit. Rubin ist „für böse forchtsame Träume“, während Sapphyrus „macht freude, frisch, mildt und andächtig, stärckt das gemüt in guten dingen“. Carneol bzw. Corneolus würde Frauen während der Menstruation helfen und sich positiv auf „Feigblattern“ auswirken. Hyacinthus „Stärckt den Körper, sein krafft dienet wider Gifft und Zauberey“. Smaragdus ist das Mittel der Wahl für den, „der Gift genossen hatte, er daß er niederlegt“, würde aber auch als Ring getragen präventiv bei Fallsucht helfen.

All diese Beschreibungen trafen den Nerv der Zeit. Krankheiten, die heute mit Medikamenten behandelt werden können, fanden vor vielen Jahrhunderten noch ein tödliches Ende. Die passende Arznei, einen Arzt und dessen Behandlung konnten sich nur die wenigsten leisten. Hexen, Teufel und Magie standen ebenso an der Tagesordnung, gepaart mit der Furcht vor dem Fegefeuer und Bestrafung bei dem Verhalten entgegen der 10 Gebote.

Die Versprechungen der fünf kostbaren Steine griffen alle Ängste und Sorgen um Krankheiten, Flüchte, Tugenden und Eigenschaften der Bevölkerung auf. Dass die Steine – zumeist als Schmuck getragen – Kranke wieder gesunden lassen konnten, ist zweifelhaft. Schon Samuel Hahnemann (1755 bis 1843) meinte in seinem Apothekerlexikon aus dem Jahr 1793, dass „Die Alten haben die Thorheit gehabt, mehrere derselben (Fragmenta quinque lapidum pretiosorum“) gepülvert unter Arzenein zu verschreiben“.
Auch die Meinung von Johann Wilhelm Baumer (1719 bis 1788; Mineraloge und Mediziner): „Die zur Arzney oder zu anders Dingen gebrauchten Edelsteine schicken sich in Wahrheit besser in die Werkstätte der Goldschmiede“ deckt sich mit den heutigem Wissensstand, dass die Wirkung von Heilsteinen medizinisch nicht haltbar ist.


Auch interessant:



Quellen:
⇒ Steeghius, G. (1606): De Sigultu. IN: Ars medica
⇒ Lonitzer, A. (1578): Von Edelgesteine/derselbigen Beschreibung und fürnehmsten Tugenden. IN: Kräuter-Buch und künstliche Conterfeyungen der Bäumen, Stauden, Hecken, Kräutern, Geträyde, Gewürtzen, etc. mit eigentlicher Beschreibung deroselben Nahmen in sechserley Sprachen
⇒ Waldschmidt, J. J. (1707): De Medicamentorum compositione & distributione. IN: OPERA MEDICO-PRACTICA, Quibus continentur I. INSTITUTIONES MEDICINAE RATIONALIS, Recentiorum Theoriae & Praxi accomodatae. II. PRAXIS MEDICINAE RATIONALIS succincta, per casus tradita. III. MONITA MEDICO-PRACTICA necessaria, per plurimos morbos illustrata. IV. NOTAE AD PRAXIN CHIRURGICAM BARBETTAE. V. NOTAE AD CASUS BALDAS. TIMAEI A GULDENKLEE. VI. DISPUTATIONES MEDICAE VARII ARGUMENTI. VII. DECAS EPISTOLARUM de rebus medicis & philosophicis. OMNIA AD MENTEM CARTESII
⇒ Baumer, J. W. (1774): Naturgeschichte aller Edelsteine: wie auch der Erden und Steine, so bisher zur Arzney gebraucht worden sind
⇒ Hahnemann, S. (1793): Edelsteine. IN: Apothekerlexikon

Letzte Aktualisierung: 24. Januar 2023




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