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Altschliff – Der antike Schliff von Diamanten



Der Klassiker unter allen Diamantschliffen ist der Brillantschliff. Ein in der Aufsicht runder Schliff mit abgeflachtem Oberteil und einem spitz zulaufenden Ende sowie einer genau definierten Anzahl an Facetten. Der Weg, bis die Geometrie des Schliffs die perfekte Vollendung fand, war ein langer. Mehr als 500 Jahre tüffelten Edelsteinschleifer an den Proportionen, bis mit dem Altschliff der Prototyp des Brillanten designt wurde.



Bild 1: Berühmte Diamanten (Quelle: Echte Wagner Margarine, Bd. 3, 1930): links: Koh-i-Noor - Diamant im Altschliff, rechts: Großmogul


Altschliff-Diamanten

Unter dem Begriff Altschliff werden alle Schliffe von Diamanten zusammengefasst, die in der Zeit vor dem Brillantschliff aus dem Jahr 1910, in den Jahren zwischen den Epochen des Jugendstils und Art Deco, kreiert wurden. Das Repertoire an Altschliffen ist sehr vielfältig, wobei im Handel mit den Namen Altschliff-Diamant hauptsächlich Diamanten mit antik-rundem Schliff gemeint sind.


Die Geschichte des Altschliffs

Die Anfänge der Kunst, Diamanten zu schleifen, reichen weit in die Vergangenheit zurück.
Im 13. Jahrhundert wurden erstmals Diamanten bearbeitet. Angesichts der technischen Möglichkeiten waren die Schliffe verhältnismäßig simpel. Die Edelsteinschleifer orientierten sich an der naturgegeben Form von Diamanten: die doppelseitige Pyramide. Die Formengebung lag noch nicht im Fokus; vielmehr richtete sich die Aufmerksamkeit auf die Politur der Steinoberfläche der sogenannten Spitzsteine.

Ein Jahrhundert später kam der Tafelstein in Mode. Die Kennzeichen: auf der Oberseite des Rohdiamanten wurde eine einzelne große, flache Facette herausgearbeitet, die am gegenüberliegenden Ende von der kleineren Kalettenfacette begrenzt wurde.
Mit den Jahren und Jahrhunderten wuchs das Wissen um die Eigenschaften von Diamanten und wie diese am besten geschliffen werden. Zu den Fähigkeiten der Edelsteinschleifer gesellten sich Werkzeuge, die die Arbeit erleichterten.
Das 16. Jahrhundert war vom Einfachen Gut geprägt. Ein Schliff mit 18 Facetten und einer mehreckigen Tafelfacette.
Im 17. Jahrhundert wurde das Einfache Gut erweitert. Das Zweifache Gut zählte insgesamt 34 Facetten und die Rundiste – wie ein Gürtel gehaltene Facetten , die den oberen vom unteren Teil des Diamanten optisch trennen – wird erstmals erwähnt.
Dem folgte das Dreifache Gut; zu Ehren des Erfinders auch Peruzzi-Schliff genannt. Der Schliff zeichnete sich durch eine quadratische Grundform mit abgerundeten Ecken aus. 32 Facetten zierten das Oberteil, 24 Facetten kamen auf die Unterseite und die Spitze wurde flach gehalten, um deren Abbrechen zu verhindern.

In den Jahren um 1900 herum wurde das Quadratische immer runder und der runde Altschliff mit insgesamt 58 Facetten war geboren, wobei als Geburtsstätte Europa gilt und der Schliff im Englischen unter dem Eintrag Old European Cut geführt wird.


Die Merkmale des Altschliffs

Der Altschliff als Vorgänger des Brillantschliffs unterscheidet sich in vielen Punkten von Brillanten, auch wenn viele Altschliffe in der historischen Literatur bereits als Brillant bezeichnet werden.

Altschliff-Diamanten sind in der Aufsicht von runder Gestalt bzw. mit den Worten des Mineralogen Max Bauer (1844 bis 1917), demzufolge der „Umriss der Rundiste sich sehr der Kreisgestalt nähert“. Tatsächlich erfüllen nur wenige Altschliff-Diamanten die perfekte Geometrie des Kreises. Die Harmonie von Symmetrie und Proportionen weicht vom heutige Ideal ab, auch wenn Bauer schon 1896 betonte, dass bereits damals die Facetten „eines sehr guten Brillants sehr regelmäßig und symmetrisch gruppiert sind“, denn fehlt die richtige Anordnung der Facetten oder sind diese unterschiedlich groß „ist die Schönheit des Steines (…) weit geringer“.

Im Unterschied zu heutigen Schliffen gab es in der Vergangenheit keine spezifischen Maßgaben hinsichtlich der Anordnung der Facetten. Lediglich die Regel, dass auf den oberen Teil 1/3 und auf den unteren Teil 2/3 der Gesamthöhe fallen sollten, die Tafelfacette 5/9 der Gesamtfläche der Oberfläche einnimmt, während die Kalette 1/5 der Tafelfacette der Größe der Tafelfacette messen sollte, fand Bauer zufolge Beachtung.

Eine Gemeinsamkeit, die alle runden Altschliffe haben, ist die zentrale Tafelfacette, die größte Facette in der Mitte des Oberteils. Diese gleicht einem geschwungenen Achteck, an das sich viele kleinere Dreiecke anschließen. Zur Rundiste hin sind weitere Facetten vorhanden, genau wie im Unterteil, das von einer runden Facette, die Kalette, ´abgeschnitten´ wird und in der Betrachtung von oben deutlich durch die Tafel zu erkennen ist. Betrachtet man Altschliff-Diamanten von der Unterseite, zeigt sich ein achtstrahliger Stern.

Im Vergleich zu Brillanten ist der `Körper´ von Altschliff-Diamanten deutlich höher. Damals galt die Devise, aus dem Rohdiamanten möglichst viel Feuer bei geringstmöglichem Materialverlust herauszuarbeiten. Und das gelang: denn dadurch, dass das Licht einen lange Weg im Kristall zurücklegt, wird das Licht intensiver in die regenbogenfarbigen Spektralfarben zerlegt (Mehr dazu: Dispersion von Edelsteinen).
Sprich: das Feuer von Altschliff-Diamanten ist gegenüber Brillanten leuchtender, im Gegensatz zur Brillanz, der Intensität, wie das stark das Licht reflektiert wird.
Aufgrund der geringeren Brillanz wirken Altschliff-Diamanten deshalb oftmals dunkler; gräulich, beige, champagnerfarben bis hellbraun.

Dennoch gab es zu dieser Zeit bereits Altschliff-Diamanten, deren Qualität des Schliffs als herausragend bewertet wurde. Bauer nennt als Beispiel den Diamanten Regent: „der vollkommenste und schönste Brillant, der jetzt vielleicht überhaupt existiert“, wohingegen der Koh-i-Noor der englischen Kronjuwelen „stark von der Normalform abweicht“.

Heute wird der Altschliff nicht mehr praktiziert. Dennoch sind Diamanten im Altschliff noch immer im Umlauf, wurde der Schliff vor mehr als einem Jahrhundert vorzugsweise als Hauptstein für Verlobungsringe verwendet. Mit viel Glück findet sich ein Altschliff-Diamant auf Trödelmärkten, in Antiquitätenläden oder auf Auktionen.
Dass Altschliff-Diamanten, nicht nur als Ringe mit Vintage-Charakter, aktuell besonders begehrt sind, erklären Gewicht und Größe der Steine. Denn: in den Steinen steckt viel Potential. Die Diamanten sind oft von hoher Reinheit und überragender Farbqualität, die mit einer Überarbeitung des Schliffs zum Vorschein kommen, ohne dass viele Karat verloren gehen, insofern durch die Höhe des Altschliffs antike Diamanten etwa 30 % mehr Gewicht auf die Feinwaage bringen als Brillanten mit gleichem Durchmesser.


Mehr zum Thema: Der Schliff von Edelsteinen
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Auch interessant:


Quellen:
⇒ Kluge, K. E. (1860): Schnittformen der Edelsteine. IN: Handbuch der Edelsteinkunde für Mineralogen, Steinschneider und Juweliere
⇒ Bauer, M. (1896): Spezielle Edelsteinkunde. IN: Edelsteinkunde. Eine allgemein verständliche Darstellung der Eigenschaften, des Vorkommens und der Verwendung der Edelsteine, nebst einer Anleitung zur Bestimmung derselben für Mineralogen, Steinschleifer, Juweliere, etc
⇒ Wagner, H. (1930): Echte Wagner Margarine, Album Nr. 3: Sechs berühmte Edelsteine
⇒ Bank, H. (1992): Diamanten. Pinguin-Verlag Innsbruck
⇒ Schumann, W. (1992): Edelsteine und Schmucksteine: alle Edel- und Schmucksteine der Welt; 1500 Einzelsücke. BLV Bestimmungsbuch, BLV Verlagsgesellschaft mbH München
⇒ Schumann, W. (2020): Edelsteine und Schmucksteine. Alle Arten und Varietäten 1900 Einzelstücke
⇒ Rice, A.:
Old European-Cut Diamonds: the Complete Guide | www.gemsociety.org

Letzte Aktualisierung: 20. Oktober 2023



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