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Welche Bedeutung haben aufeinander gestapelte Steine?



Man trifft sie im hohen Norden Grönlands, Islands, Norwegen und Schwedens ebenso wie in Spanien, auf Hawaii, in Deutschland, Österreich und in vielen anderen Ländern. Und auch wenn die kleinen Häufchen aus Steinen aussehen, als wären sie aus einer Laune der Natur entstanden, so sind die Steinhaufen tatsächlich von Menschenhand geschaffen – Steinmännchen.



aufeinandergestapelte Steine
Bild 1: aufeinander gelegte Steine: Eine Laune der Natur oder von Menschen gemacht?

Steinmännchen

Doch was verbirgt sich hinter diesen Steintürmchen? Die offizielle Bezeichnung für die gestapelten Steine im deutschsprachigen Raum lautet Steinmännchen.

Steinmännchen wachsen, indem Menschen immer wieder Steine haufenförmig aufeinander legen. Dabei nehmen die Figuren die verschiedensten Formen an; die meisten haben die Gestalt von Säulen oder sind spitz nach oben zulaufend.
Die Steine der Figuren sind schichtweise so aufeinandergestapelt, dass keine Bindemittel oder anderweitige Fixierungen nötig sind.
Ebenso vielseitig wie die Gestalt der aufeinander gestapelten Steine sind auch Dimensionen der Steinmännchen. Einige Steinhaufen sind kniehoch, während andere mannshoch sind. Der Geograph Richard Andree (1835 bis 1912) beschrieb 1873 Steinhaufen in Ladakh/Indien, wo die aufgetürmten Steine "6 bis 8 Fuss hoch und 10 bis 15 breit" sind - 1,82 bis 2,43 m in der Höhe und 3,03 bis 4,57 m in der Breite.

Mittlerweile sieht man Steinmännchen an zahlreichen Orten, ohne dass ein bestimmter Sinn dahinter steht. Steine aufeinander zu Türmen zu stapeln, das Spiel mit der Balance, hat sich als ein Trend etabliert, der vor allem in den sozialen Medien gefeiert wird.


Steinmännchen
Bild 1: Steinmännchen auf den Färöer-Inseln

Steinmännchen und Steinfrauen

Der Form nach werden die Figuren aus Stein in Steinmännchen und Steinfrauen unterschieden.
Während Steinmännchen ohne weitere Verzierungen kegel- oder säulenförmig aufgebaut sind, verfügen die Steinfrauen dank zwischengelagerter, länglicher Steine über „Arme“


Steinmännchen in aller Welt

Weitere Bezeichnungen in Europa sind Steinmandl/Bayern und weiten Teilen Österreichs, Gromila/Serbien, Steenmannetje/Niederlande, Ometto/Italien und Moledro/Portugal. Außerhalb von Europa sind Steinmännchen ebenso üblich und heißen dort ahu/Hawaii, Pachamama/Südamerika und Lhatos sowie Lhadse/Tibet.


Türme aus Steinen

Der Grund, weshalb Menschen in zahlreichen Ländern Steine stapeln, ist vor allem kulturell und religiös motiviert, wobei die Anfänge der Steinmännchen-Kultur schon in der Bibel festgehalten sind. Andree bezieht sich 1878 auf eine Stelle in der Bibel, als Laban einen Bund mit Jakob einging, der mit einem Steinstapel besiegelt wurde. An anderer Stelle heißt es zudem, dass Gesteinigte Steinhaufen angelegt wurde; konkret führt er als Beispiel Achan und Absalom auf.

Da sich die Menschen lange Zeit nicht erkären konnten, wie die teilweise großen Steinbrocken aufeinander gestapelt werden konnten, rankten sich auch viele Geschichten um Steinmännchen. So schreibt Overbeck 1893, dass die Zyklopen, riesige Gestalten aus der griechischen Mythologie, "die kolossalen Steine aufgetürmt haben".

Die Mehrheit aller Steinmännchen erfüllt jedoch die Funktion einer Wegmarkierung, den höchten Punkt eines Berggipfels und ersetzen so das Gipfelkreuz (Gebhard, 1817), dienen als Orientierung und als Warnung vor Hindernissen oder Gefahren, sind"Wahrzeichen gläubiger Gesinnung" (Zeitschrift Globus) oder den eines Grenzpunktes, bspw. an Grundstücken, oder aber als "Erinnerungszeichen an irgend eine auf ihrer Stätte vorgefallene That" (Andree, 1878), wie beispielsweise in Montjoie (Pauly, 1862).

In Skandinavien sind Steinmännchen verbunden mit dem Volksglauben an boshafte Trolle. Steinmännchen sollen hier Wanderer vor ihnen schützen; deshalb legen viele einen weiteren Stein auf bereits existierende Steinmännchen.

In Gegenden, die aufgrund der Geländebeschaffenheit schwer mit Fahrzeugen oder großen Gerätschaften zu erreichen sind, werden Steinmännchen als Meßstationen genutzt, um das Gelände zu vermessen bzw. zu kartieren.

Aber nicht nur zu Land, auch im Wasser stehen Steinmännchen. Dort zeigen sie insbesondere Stellen in Flüssen an, die im Vergleich zum übrigen fließenden Gewässer flach sind und auf eventuelle Gefahren hinweisen.
Direkt im Wasser stehende Steinmännchen verweisen auf gute Fangmöglichkeiten und Steinmännchen am Wasserrand zeigen Wasserstraßen an, die für Kanutouren geeignet sind.

In Grönland und Nordostkanada werden Steine zu Steinmännchen gestapelt, um die Rentierjagd zu erleichtern. Die sogenannten Inuksuk der Inuit werden zu Land strategisch so aufgestellt, dass Korridore entstehen, durch welche die Rentiere bei der Jagd geleitet werden.

Steinmännchen in Griechenland gehen auf die Verehrung von Hermes, seines Zeichens Götterbote und Schutzgott aller Reisenden. Um Wanderer vor unwegsamem Gelände oder großen, steinernen Hindernisse zu bewahren, entfernte Hermes die Steine von den Wegen und legte diese aufeinander gestapelt am Wegrand nieder.

Ähnlich ist es bei den Norwegern. Um unbescholten vor den Boshaftigkeiten der heimischen Trolle davonzukommen, wird bei Wanderungen auf jeden Gravrøy ein weiterer Stein niedergelegt.

Die Tschuktschen im Nordosten Sibiriens türmten Steinhaufen auf, um an ihre Verstorbenen zu gedenken. In einer aufwendige Zeremonie wurde die Asche auf dem Boden verteilt und die Umrisse des Körpers mit Steinen nachgestellt (Andree, 1878).

Die Ureinwohner Nicaraguas sahen laut Andree in den Steinhaufen die Hoffnung, dass jeder neu aufgelegte Stein ihnen weniger Hunger und Not bedeutete.

Auch versprachen sich Wandernde in vielen Teilen der Welt Glück auf ihrer Reise und im Leben, wenn sie die Steinmännchen einfach nur berührten.
Ähnlich sah/sieht die Tradition in der Provence auf, wo Heranwachsende in St. Baumé Andree zufolge eine "kleine Steinpyramide bazen, bei der sie Gelübde ablegen".

Sehr dekorativ sind Steinmännchen - Buda - im Tibet, die entlang vieler Bergpässe und auf Gipfeln errichtet werden. Geschmückt mit Fahnen, Tierskeletten und bunten Farben, sollen entweder gute Geister gewürdigt werden und bösen Geistern wird auf diese Weise gezeigt, dass sie unerwünscht sind.
Rote Fahnen oder angemalte Skelette sind boshaften Geistern gewidmet, vor deren Wirkungen man sich Schutz verspricht, während weiße Färbungen als Einladung an die guten, Wohl bringenden Geister, gerichtet sind.

Der Geologe Edmund Naumann (1854 bis 1927) brachte in Erfahrung, dass die Steinhaufen in Japan buddhistischen Pilgern zu verdanken sind - im "Gedenken an verstorbene Kinder", "um sie vor der alten Hexe Shodzkana Baba zu retten".

So vielfältig, wie die Motivation hinter dem Brauch, Steinmännchen zu errichten, selbst ist, sind auch die dafür verwendeten Steine. Genutzt werden Steine, die vor Ort zu finden sind, wie bspw. Basalt, Granit, Gneis, Sand- oder Kalkstein.


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Quellen:

Letzte Aktualisierung: 9. April 2024



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