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Zeolithe – Mineralien im Einsatz gegen Radioaktivität



Neben natürlicher Radioaktivität, die bspw. von einigen Mineralen ausgeht, kann es bewusst oder versehentlich zur Freisetzung von radioaktiven Substanzen kommen, bei denen durch ionisierende Strahlung mit gesundheitlichen und umweltgefährdenden Auswirkungen zu rechnen ist. Ein Mineral, das sich bei der Dekontamination bewährt hat, ist Zeolith.



Wie gelangen radioaktive Stoffe in die Umwelt?

Radioaktive Substanzen werden beispielsweise im Zuge von Kernwaffentests (z.B. Kernwaffentestgelände Semipalatinsk/Kasachstan und Bikini-Atoll) oder bei Einsätzen von atomaren Waffen (z.B. Schmutzige Bomben) freigesetzt.
Daneben kann es zu radioaktiven Kontaminationen infolge von Reaktorunfällen oder wie zuletzt im März 2022 durch den Angriff auf das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschj kommen.
Die radioaktiven Substanzen, die dabei am häufigsten freigesetzt werden, sind Cäsium-137 und Cäsium-135, Strontium-90, Uran, Jod-131, Jod-123 und Kobalt-60.


Bild 1: Klinoptilolith-Zeolith


Zu den ersten Schutzmaßnahmen, direkt nach dem Freisetzen von radioaktivem Material, gehört die Behandlung bzw. die Aufbringung von Zeolithen. Zeolithe sind eine Gruppe von silikathaltigen Mineralien, die vulkanischen Ursprungs sind.

Zeolithe und Radioaktivität – Anwendungsbeispiele

Wie Pressetext Austria am 7. April 2011 berichtet, hätte laut den Aussagen der österreichischen Mineralogin Anna Bieniok (Universität Salzburg) die Ausbreitung von radioaktiven Substanzen im Zuge des Reaktorunfalls und der Kernschmelze im japanischen Kernkraftwerk Fukushima durch die Verwendung von Zeolithen zu 90% verhindert werden können. Am 17. April 2011 wurde in den Nachrichten berichtet, dass die Firma Tepco am 15. April 2011 begann, mit Mineralien gefüllte Säcke (Zeolithe) in der Umgebung des Kernkraftwerks Fukushima zu verteilen.


Zeolithe zur Bindung radioaktiver Stoffe sind in Japan bereits seit den Atombombenabwürfen von Hiroshima und Nagasaki von 1945 bekannt. Damals wurden Böden und Gewässer, Tiere und Menschen mit dem Mineral behandelt, um die Schadstoffe an der Ausbreitung durch Wind und Wasser zu hindern.


Bei nachfolgenden Atomreaktorunglücken wie beispielsweise am 29. September 1957 im russischen Tscheljabinsk und am 26. April 1986 in Tschernobyl/Ukraine wurden zeitnah pulverisierte Zeolithe als Erstmaßnahme eingesetzt.


Nach dem Unglück in Tschernobyl wurden allein 500.000 Tonnen Zeolithe, die zuvor in Lösung versetzt wurden, weiträumig in der Ukraine, in Georgien und Russland verteilt. Der schadhafte Reaktor wurde zusätzlich mit einem Zementgürtel ummantelt, der mit 22.000 Tonnen Zeolithen versetzt war.
Auf diese Weise konnten austretende Kontaminanten weitestgehend immobil gemacht werden.
Mit Hilfe der Filterleistung der Zeolithe war es sogar möglich, trotz einleitender radioaktiver Stoffe, die Trinkwassergewinnung aus dem Dnjepr aufrecht zu halten. Insgesamt konnte durch den schnellen Einsatz von Zeolithen nach dem GAU in Tschernobyl die Belastung mit Caesium-137 um 95% und Strontium-90 um bis zu 60% gegenüber der Ausgangssituation gemindert werden.


zeolithe Foto
Zeolithe

Den Menschen in den betroffenen Gebieten wurde Zeolithe entweder in Form von Tabletten, Schokolade und Keksen (Zeolith-Gehalt in den Süßwaren: zwei bis 30 %) zur Verfügung gestellt.


Zu den Hauptabbauländern von Zeolithen zählen China, Kuba, Japan, Bulgarien, die Türkei und Indien, wo jährlich 3,4 Mio. t des Minerals abgebaut werden; wobei 2,5 Mio. t der Jahresabbaumenge auf China entfallen (Quelle: www.arnold-chemie.de).


Neben dem Vorteil großräumiger Vorkommen sind Zeolithe einfach zu gewinnen, kostengünstig abzubauen, künstlich herzustellen, nicht giftig und verlässlich im Einsatz gegen radioaktive Verschmutzungen.

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Wirkungsweise von Zeolithen – Kationenaustauschkapazität

Der Grund für die hohe Dekontaminationsrate von Zeolithen ist die Kationenaustauschkapazität des Minerals – Zeolithe sind quasi Siebe auf Molekularebene.


Unter der Kationenaustauschkapazität wird die Fähigkeit von Stoffen verstanden, an negativ geladenen Plätzen der Oberfläche Kationen auszutauschen und zu binden.


Im Einsatz gegen radioaktive Umweltgifte hat sich innerhalb der Zeolith-Gruppe insbesondere Klinoptilolith bewährt. Andere Zeolithe wie Gonnardit, Natrolith, Stilbit, Mesolith, Laumontit, Analcim oder Phillipsit zeigten für derartige Verwendungszwecke vergleichsweise geringe Erfolge.


Studien und Experimente mit Klinoptilolith bestätigten eine hohe Adsorption von Caesium-137 und Strontium-90. Das Ziel des Einsatzes des Zeolith-Minerals ist es, radioaktive Substanzen immobil zu machen. Die Gefährdung in gebundener Form und deren Beseitigung ist leichter zu handhaben. Trotzdem darf nicht vernachlässigt werden, dass die Gefahr der Verstrahlung weiterhin besteht.


Wichtig für optimale Ergebnisse des Kationenaustauschs mit Zeolithen ist, die Mineralien feinst zu zerkleinern und vor dem Einsatz zu entwässern.
Untersuchungen zeigen, dass mit zunehmender Körnchengröße die Adsorptionsrate sinkt. Zudem hat das Mineral eine hohe spezifische Oberfläche: ein Gramm Zeolith entspricht einer Oberfläche von 43m², an die Ionen adsorbieren können.


Klinoptilolith hat eine sehr hohe nachgewiesene Adsorptionsfähigkeit; die auszutauschenden Kationen sind der chemischen Zusammensetzung des Minerals entsprechend Kalium, Calcium, Natrium und Magnesium. Diese Kationen halten das im Zeolith vorhandene Kristallwasser im Mineral, durch Dehydratisierung werden jene Ladungsplätze frei. Es entsteht ein hochporöser Körper, dessen Kristallwasser durch Erhitzung entfernt wurde.
Zeolithe weisen eine dauerhaft negative Ladung der Oberfläche auf, die es ermöglicht, durch Kationen zwecks Ladungsausgleichs an der Oberfläche besetzt zu werden.


Um Klinoptilolith verwenden zu können, muss das Mineral in Lösung gebracht werden, bspw. in Form von Kühlwasser, Flüssen, Bodenwasser, Blut oder Lymphflüssigkeit.


Nach dem Ionenaustausch – die radioaktiven Stoffe sind im Kristallgitter des Zeolith-Minerals eingebaut - gelangen diese gebunden im Körper durch Stoffwechselendprodukte aus selbigem; Zeolithe mit im Kristallgitter eingeschlossenen Kontaminanten können durch entsprechende Filter aus der Umwelt entfernt werden.


Entscheidend für den Kationenaustausch mittels Zeolithen ist der pH-Wert der Lösung: optimalerweise liegt dieser bei 8,7.


Auswertungen von kontaminierten Flächen in der Natur, Wasser und Organismen zeigten, dass die höchste Adsorption von Kontaminanten durch Klinoptilolith in zwölf bis 15 Stunden nach der Gabe bzw. Aufbringung erfolgte. Weiterhin wurde von Vitorovic et al. beobachtet, dass in den ersten sechs Stunden der größte Teil der radioaktiven Belastungen durch das Zeolith-Mineral aufgenommen wurde.


Untersucht wurden u.a. mit Caesium-137 kontaminierte Schafe, denen 100 mg Klinoptilolith unter die tägliche Futterration gemischt wurden. Nach sechs Stunden war von den ursprünglichen 137Cs-Gehalten im Blut der Schafe 52 % weniger Cäsium nachweisbar; zwei Stunden später waren 48,6 % weniger Cäsium gegenüber dem Ausgangswert vorhanden. Mit einer Steigerung der täglichen Klinoptilolith-Menge konnte die Dekontamination zudem erhöht werden: mit 300 mg Klinoptilolith am Tag wurden nach sechs Stunden 74,7 % absorbiert, nach insgesamt acht Stunden waren 74,2 % weniger Cäsium vorhanden.


Neben den weiter oben bereits im Text erwähnten Vorteilen gibt es weitere Gründe, Zeolithe gegenüber anderen adsorbierenden Mineralien, z.B. Vermiculit und Montmorillonit, vorzuziehen. Klinoptilolith ist gegenüber Säuren und Laugen resistent sowie temperaturbeständig bis zu 700 °C – vor allem im Hinblick auf die Löslichkeit und erneute Freisetzung der radioaktiven Substanzen von entscheidender Bedeutung.


Zeolithen als Erste-Hilfe-Maßnahme gegen die Ausbreitung radioaktiver Substanzen sind dennoch Grenzen gesetzt. Klinoptilolith zeigt eine Adsorptionpräferenz gegenüber Cäsium, gefolgt von Cobalt-60 und Strontium-90. Ein Mineral, das eine höhere Selektivität gegenüber Jod-131 und Jod-129 hat, ist das Tonmineral Illit.


Kurzum: Zeolithe können Radioaktivität nicht verhindern, aber entsprechende Substanzen mit ionisierender Strahlung an der Verlagerung und Ausbreitung, auch in die Umwelt, begrenzen.



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www.heute.de - AKW-Betreiber: Atomkrise in sechs bis neun Monaten im Griff. Tepco legt Zeitplan vor - Regierung fordert rasche Umsetzung. 17.04.2011

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Letzte Aktualisierung: 4. März 2022




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