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Der Schliff von Edelsteinen



Bereits im antiken Griechenland und Ägypten wurden Gesteine und Minerale zu Schmucksteinen verarbeitet. Mit ausgeklügelten und speziell auf das Mineral oder den Kristall berechneten Schliffen oder durch Polieren wird nicht nur die Dispersion der Kristalle gesteigert, auch die Farbe und der Glanz von Mineralien gesteigert - ebenso wie der Wert von geschliffenen Steinen gegenüber ungeschliffenen Steinen deutlich höher ist.



Das Schleifen von Edelsteinen ist "die Kunst, Edel- und andere Schmucksteine zu vielflächigen Körpern zu schneiden und ihre schätzbaren Eigenschaften hervorzuheben"
Zitat Johann Reinhard Blum; Mineraloge im Jahr 1840.


Brillante Edelsteine

Es gibt viele Gründe, warum Mineralien geschliffen werden. Einer der gewichtigsten ist sicherlich, durch den Schliff die Schönheit des Steins zu unterstreichen. Der Glanz, die Farbe und das Spiel der Facetten im Licht sind bei geschliffenen Steinen ausgeprägter als bei Rohsteinen. Und nicht zuletzt lässt sich ein Stein in einem perfekten Schliff zu einem weitaus höheren Preis verkaufen als ein ungeschliffenes Pendant. So schreiben die Mineralogen Karl und Moritz Seubert 1866, dass Edelsteine geschliffen werden, "um ihnen ein empfehlenderes, ihren Handelswert steigerndes Aussehen zu geben". Gleicher Meinung ist der Naturwissenschaftler Sigmund Caspar Fischer (1790 bis 1860): "hohen Werth, in welchem die Edelsteine heut zu Tage stehen, erhalten sie aber erst durch die künstliche Gestaltung oder durch das Schleifen".
Kritischer äußerte sich der Mineraloge Albrecht Schrauf (1837 bis 1897), insofern bei "mineralogisch verunstalteten Edelsteine" die Bestimmung erschwert ist, weil die mineraleigene Kristallform nicht mehr erkennbar ist.

Mit dieser Ansicht stand Schrauf allein auf weiter Flur, denn mit den technischen Fertigkeiten und dem Zugewinn an Know-how und Erfahrung wurden die Methoden der Edelsteinschleiferei immer kunstvoller und die Zahl der bekannten Schliffe wurde ständig durch neue Kreationen erweitert.


Die Kunst des Edelsteinschleifens

Edelsteine verzaubern die Menschen seit jeher – ob als Glücksbringer, Investment oder in Schmuck eingefasst.
Schon im Altertum wurden Steine poliert, in Form gebracht oder mit Gravuren versehen. Mit den Jahren, neuen Werkzeugen und dem Wissen, wie ein Stein geschliffen wird, entstand ein Potpourri an Edelsteinschliffen in Hülle und Fülle.

Waren es anfangs noch simple Glattschliffe, steht EdelsteinschleiferInnen heute ein immenses Repertoire an Edelsteinschliffen zur Auswahl.

Tatsächlich war der Weg, bis sich facettenreiche Schliffe durchsetzten konnten, ein langer. Der Kunsthistoriker Justus Brinckmann (1843 bis 1915) meinte, dass es weniger den „technischen Schwierigkeiten“ zu verdanken ist, sondern „vielmehr in einer Geschmacksrichtung, welche einsah, dass reich facettirte Steine durch ihre unregelmäßige Zerstreuung des Lichts die Formenschönheit beeinträchtigen“. Das heißt: Steine im naturgegebenen Zustand galten bis weit ins 19. Jahrhundert als das Nonplusultra. Dass ein Schliff ein mathematisches Konstrukt ist, viel mit Geometrie und harmonischen Proportionen arbeitet, um die optischen Eigenschaften eines Minerals maximal zur Schau zu stellen, war nebensächlich.

Ein Beispiel für die antiquierte Haltung ist der Diamant Koh-i-Noor, der zweimal geschliffen wurde. Nach seiner Entdeckung im 17. Jahrhundert folgte der Schliff der Gestalt des Rohdiamanten, indem Oberflächen geglättet wurden und nur vereinzelte Facetten herausgearbeitet wurden. Symmetrie oder die saubere Ausführung der Arbeit waren Fremdwörter. Das sollte sich 1852 ändern, als der Niederländer Levie Benjamin Voorzange mit einem ovalen Brillantschliff das Maximum an Brillanz aus dem Hochkaräter herausholte.

Ein Name, der mit dem professionellem Schleifen von Edelsteinen genannt wird und dem der Durchbruch gelang, auch harte Steine, die als nicht schleifbar galten, schleifen zu können, ist Lodewyk van Bercken. Der niederländische Diamantschleifer fand heraus, dass ein Schleifstein – sein „Demantbord“ - bestehend aus pulverisierten, „kleinen, unansehnlichen und mißfarbigen“ Diamanten (Die Fürsten des Steinreichs, 1869) perfekt zur Bearbeitung anderer Diamanten sowie weiterer Edelsteine geeignet ist.

In den Anfangsjahren der Kunst des Schleifens von Edelsteine stand dennoch die Betonung der natürlichen Form der Kristalle im Vordergrund. Es galt laut Blum das Credo, dass sich der Schliff "nach der ursprünglichen Gestalt des Steins zu richten ist beim geringsten Zeitaufwande, so wenig Mühe und Abgang als möglich zu haben". Die Oberflächen wurden geebnet, auf Hochglanz poliert und nur selten zusätzliche Facetten angelegt.

Die ersten Betrieben, die sich nur auf die Bearbeitung von Mineralien und Edelsteinen konzentrierten, entstanden im späten 13. Jahrhundert. 1290 wurde in Paris die erste Steinschleiferzunft gegründet, der unter anderem 1385 die "Diamantpolierei" in Nürnberg folgte.
Die Entwicklung hin zu facettenreichen Schliffen setzte im 15./16. Jahrhundert ein; Tafelsteine, d.h., Schliffe, die der naturgegebenen Gestalt des Diamantoktaeders folgen, gepaart mit sich gegenüberliegenden Facetten, läuteten eine neue Ära der Edelsteinbearbeitung ein.
1520 folgte der Rosettenschliff als Innovation. In der Aufsicht ist die Grundfläche des Rosettenschliffs rund, die Unterseite eben und zur Steinmitte hin bauten sich in „zwei Reihen dreieckige Facetten, die in einer Spitze endigen“ auf (Fürsten des Steinreichs; 1869).

Im 17. Jahrhundert entstand aus dem Rosettenschliff der Vorläufer des Brillantschliffs, wobei Ludwig et al. Schreiben, dass „durch die Erfindung der Edelsteinschneidekunst (Diamanten) zum zweiten Male entdeckt worden“ sind.

Hinzu kommt, dass mit der Industrialisierung zunehmend vom manuellen Schleifen auf den Maschinenbetrieb umgestellt wurde. Sehr häufig wurden die Schleifsteine mit Wasserkraft betrieben, was wiederum erklärt, weshalb viele Steinschleifereien in der Nähe von Flüssen oder Bächen angesiedelt waren.
Unter allen europäischen Städten hatten sich damals vor allem London, Antwerpen und Amsterdam einen Namen als das Zentrum der Edelsteinschleiferei gemacht; allein in Amsterdam existierten 1869 „5 Betriebe und mehr als 800 Schleifmühlen“ (Fürsten der Edelsteine), in denen 30.000 Arbeiter tätig waren, die pro Jahr Diamanten in Höhe von 250.000 bis 300.000 Karat ein neues Aussehen gaben.
Heute hat sich das Geschäft nach weitestgehend nach Asien verlagert, sodass Sri Lanka, Thailand, Indien und China weltweit in puncto Edelsteinschleifbetriebe führen.


Der richtige Schliff für jeden Stein

Beim Schleifen von Mineralien und Edelsteinen wird nach Schliffarten und –formen unterschieden, die sich an den individuellen Eigenschaften der Steine Mineralen orientieren.
Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Edelsteinschleifer und Edelsteinschleiferinnen den jeweiligen Charakter eines Steins sehr gut kennen und wissen, wie das kostbare Material auf den beim Schleifen einhergehenden Druck und die Hitze reagiert, ob mögliche entstehungsbedingte Unregelmäßigkeiten im Kristall einen Schliff möglich machen.


Bild 1: verschiedene Schliffformen von Mineralen


Während die Schliffart von Edelsteinen die Anordnung und Anzahl der Facetten definiert, richtet sich die Schliffform häufig nach der eigentümlichen Gestalt der Kristalle.
Unterschieden werden ovale, runde, kegelartige, kugelige, dreieckige, quadratische, rechteckige (Baguette), birnen- oder tropfenartige Formen (Pendeloque), spitz zulaufenden Ellipsen (Marquise/Navette), langgezogene Tropfen (Pampel, Briolette) oder Phantasieformen (Tonnen, Herzen).

Das Hauptaugenmerk eines jeden Schliffs ist die Ausarbeitung bzw. Betonung der mineraleigenen Farbe, Reinheit, Dispersion und dessen Glanz unter geringstmöglichem Gewichtverlust des Rohstücks oder der Kristalle.

In diesem Zusammenhang ist häufig die Rede vom Feuer der Edelsteine, das sich auf das aus der Lichtbrechung an den Facetten resultierende Farbspiel bezieht.

Die Aufgabe eines Edelsteinschleifers ist es, die Anzahl der Facetten – geschliffene Flächen, an denen Licht reflektiert wird - individuell dem Mineral oder Gestein anzupassen, damit der Lichteinfall und damit das Feuer bzw. die Brillanz optimal zur Geltung kommen. Wichtig ist, dass sich der Steinschleifer den Eigenschaften der Minerale und Edelsteine bewusst ist, da mitunter nicht alle Minerale zu jeder Schliffart verarbeitet werden können. Minerale mit ausgeprägter Spaltbarkeit können bspw. beim Facettenschliff splittern.

In der Praxis werden drei Schliffarten angewendet.


Bild 2: Minerale im Cabochonschliff

1. Der Glattschliff (Cabochon und Handschmeichler)

Der Glattschliff zeichnet sich durch ebene oder gewölbte (mugelige) Flächen aus, Facetten stehen hierbei nicht im Vordergrund. Diese Schliffart ist vor allem für Minerale und Gesteine geeignet, die besonders intensiv gefärbt sind oder infolge von Einlagerungen anderer Minerale, Gase oder Flüssigkeiten optische Effekte, wie Asterismus, in sich bergen.
Die wohl bekannteste Glattschliffart stellt der Cabochon-Schliff dar. Charakteristisch für Cabochons sind gewölbte Oberseiten, währenddessen die Unterseite nach innen gewölbt oder eben erscheint.
Andere Glattschliffarten sind Minerale oder Edelsteine in Form von Handschmeichlern, Kugelsteine, Trommelsteine oder Lagensteine.


Tabelle 1: Die Schliffe von Edelsteine
SchliffformSchliffEdelstein
Glattschliff
  • Cabochon
  • Handschmeichler
  • Trommelsteine
Rubin, Saphir, Citrin, Rosenquarz, Milchquarz, Tigerauge, Aventurin, Jaspis, Chrysopras, Karneol, Opal, Almandin, Spessartin, Grossular, Türkis, Jadeit, Lapislazuli, Amazonit, Sonnenstein, Azurit, Diopsid, Malachit, Enstatit, Sillimanit, Kornerupin, Rhodonit, Skapolith, Sodalith, Zoisit, Obsidian
Facettenschliff
  • Ashoka-Schliff
  • Asscher-Schliff
  • Baguetteschliff
  • Brillantschliff
  • Carreschliff
  • Herzschliff
  • Marquiseschliff/Navette
  • Ovalschliff
  • Prinzessschliff
  • Radiantschliff
  • Smaragdschliff
  • Tropfenschliff
    Rubin, Bergkristall, Citrin, Rauchquarz, Opal, Pyrop, Grossular, Andradit, Andalusit, Benitoit, Cordierit,Diamant, Zirkon, Moissanit, Titanit, Taaffeit, Smaragd, Aquamarin, Morganit, Heliodor, Amethyst, Almandin, Turmalin, Peridot, Spinell, Orthoklas
    Gemischter Schliff
    • Buff Top-Schliff
    • Phantasieschliff
    Saphir, Amethyst, Almandin, Turmalin, Topas, Chrysoberyll, Spinell, Titanit


    2. Der Facettenschliff (Treppen- und Brillantschliff)

    Der Facettenschliff wird bei Mineralen und Edelsteinen angewandt, deren Kristalle von durchsichtiger Transparenz gekennzeichnet sind und deren Glanz sowie Farbspiel durch zahlreiche Facetten intensiviert werden kann.
    Typisch für Facettenschliffe sind sogenannte Tafeln – polierte, ebene und relativ große Flächen, die den Glanz unterstützen – sowie die eigentlichen Facetten, verantwortlich für die Dispersion des Lichts.
    Als Unterart dieser Schliffart gelten Brillant- und Treppenschliff.

    Der Brillant-Vollschliff weist eine flache Tafel und wenigstens 32 Facetten im Oberteil sowie mindestens 24 Facetten im Unterteil auf. Diese Schliffart wurde 1919 vom belgischen Diamantschleifer Marcel Tolkowsky (1899 bis 1991) ursprünglich für Diamanten entwickelt. Das fertige Produkt eines Diamanten im Brillantschliff wird entsprechend Brillant genannt. Um Verwechslungen mit anderen Edelsteinen im gleichen Schliff auszuschließen, sind diese gesondert zu benennen, z.B. Moissanit-Brillant.

    Bei zu geringen Größen von Diamanten wird der Achtkant-Schliff genutzt. Kennzeichen sind die plane Tafel auf der Ober- und Unterseite, die jeweils von acht Facetten umgeben sind.

    Beim Treppenschliff werden die Facetten an den Edelsteinkanten treppenartig, parallel zueinander verlaufend angelegt. Eine Unterart dessen ist der Scherenschliff (Kreuzschliff), bei dem die Treppen mit sich verkreuzenden Facetten schneiden, um vor allem Edelsteine und Kristalle mit geringer Transparenz erstrahlen zu lassen. Speziell für Smaragde entwickelt wurde der Smaragdschliff – ein Treppenschliff mit acht Ecken.


    3. Der gemischte Schliff

    Der gemischte Schliff zeichnet sich durch die Vereinigung von Glatt- und Facettenschliff aus. Entweder ist die Ober- oder Unterseite glatt geschliffen, während die Unter- resp. Oberseite mit Facetten versehen wird.


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    Quellen:
    ⇒ Fischer, S. C. (1831): Edelsteine. Gemmen. IN: Handbuch der Mineralogie nebst einer kurzen Abhandlung über das Vorkommen, über die Bildung und Benützung der Mineralien, und einer Anleitung, dieselben zu bestimmen
    ⇒ Berzelius, J. J., Eisenbach, H. F. und Hering, E. A.(1833): Steinschleifen. IN: Lehrbuch der Chemie ⇒ Blum, J. R. (1834): Schnittformen der Edelsteine. IN: Taschenbuch der Edelsteinkunde für Mineralogen, Techniker, Künstler und Liebhaber der Edelsteine
    ⇒ Blum, J. R. (1840): Mineralien, anwendbar zum Schleifen, Poliren und Mahlen und ähnlichen Zwecken. IN: Lithurgik oder Mineralien und Felsarten nach ihrer Anwendung in ökonomischer, artistischer und technischer Hinsicht systematisch abgehandelt
    Das Schleifen und Bohren der Edelsteine (1864). IN: Die Gewinnung der Rohstoffe aus dem Innern der Erde, von der Erdoberfläche sowie aus dem Wasser Inhalt: Die Erdbohrung ; der Steinbrecher ; der Bergbau ; Gewinnung der Erze ; die fossilen Brennstoffe ; Gewinnung des Kochsalzes ; Gewinnung und Verarbeitung der Edelsteine ; Landwirthschaft ; Garten- und Weinbau ; Viehzucht ; Jagd- und Forstwirthschaft ; das Wasser und seine Schätze ; Fischerei und Süßwasserfischzucht ; mit drei Tonbildern, über 220 Text-Illustrationen sowie einem Titelbilde
    ⇒ Brinckmann, J. (1867): Edelsteinkunde. IN: Abhandlungen über die Goldschmiedekunst und die Sculptur
    Die Fürsten des Steinreichs (1869). IN: Das Ausland. Ueberschau der neuesten Forschungen auf dem Gebiete der Natur-, Erd- und Völkerkunde
    ⇒ Schrauf, A. (1869): Schraufs Edelsteinkunde und dessen Ansichten über die ursprüngliche Entstehung des Diamants. IN: Das Ausland. Ueberschau der neuesten Forschungen auf dem Gebiete der Natur-, Erd- und Völkerkunde
    ⇒ Seubert, K. und Seubert, M. (1883): Schliff der Edelsteine. IN: Handbuch der allgemeinen Warenkunde für das Selbststudium wie für den öffentlichen Unterricht
    ⇒ Bauer, M. (1896): Verwenden der Edelsteine zu Schmuck. IN: Edelsteinkunde eine allgemein verständliche Darstellung der Eigenschaften, des Vorkommens und der Verwendung der Edelsteine, nebst einer Anleitung zur Bestimmung derselben für Mineralogen, Steinschleifer, Juweliere, etc
    ⇒ Schumann, W. (2017): Edelsteine und Schmucksteine: alle alle Arten und Varietäten; 1900 Einzelstücke. BLV Bestimmungsbuch, BLV Verlagsgesellschaft mbH München

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    Letzte Aktualisierung: 16. November 2023




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